Hominids
The Neanderthal Parallax, Teil I
Tor 2002
ISBN 0-312-87692-0
Monikas Meinung:
Quantencomputer und parallele Welten sind das zentrale Thema von Hominids,
dem ersten Band von Sawyers Trilogie über eine Erde, auf der nicht der
moderne Mensch das technologische Zeitalter erreicht hat, sondern die
Neandertaler, während der Homo sapiens ausgestorben ist.
Bei einem wissenschaftlichen Experiment tief in einem Bergwerk im
kanadischen Sudbury kommt es zu einem folgenschweren Zwischenfall; der
Versuchsstand wird bei dem Unfall völlig zerstört, und die beteiligten
Wissenschaftler retten aus einem mit schwerem Wasser gefüllten Tank
einen Mann vor dem Ertrinken. Zuerst glauben alle an den Anschlag eines
Verrückten, doch dann fällt auf, dass der wie durch ein Wunder dem
Tode entronnene Fremde äußerst merkwürdige körperliche Merkmale
aufweist, die darauf hindeuten, dass er nicht der Spezies Homo sapiens sapiens
angehören kann.
In Toronto erhält daraufhin die Genetikerin Mary Vaughn einen Anruf,
sie möge nach Sudbury kommen, um den Verdacht, es könne sich bei dem
mysteriösen Fremden um einen Neandertaler handeln, zu bestätigen.
Mary, die am Abend zuvor auf dem Heimweg von der Arbeit einer
Vergewaltigung zum Opfer gefallen ist, ist nur allzu froh über die
Ablenkung, auch wenn sie der ganzen Sache zunächst keinen rechten
Glauben schenken will. Widrige Umstände führen dazu, dass ihr
Aufenthalt in Sudbury sich länger hinzieht, als sie es geplant hat...
Denjenigen, die schon mehrere Bücher von Robert Sawyer gelesen
haben, dürfte klar sein, dass es sich bei Hominids nicht um die
"übliche" Geschichte von wieder entdeckten Neandertalern oder
einer anderen fossilen Menschenart handelt. Hier werden keine Klischees
vom überlegenen Homo sapiens bedient, und es ist auch nicht das
Drehbuch für einen Actionfilm wie John Darntons Tal des Lebens,
sondern ein Buch, das im Wesentlichen von den Charakteren lebt, ganz
ähnlich wie Sawyers Calculating
God.
Ponter Boddit, der von einer parallelen Erde stammt, auf der die
Neandertaler nicht nur überlebt, sondern eine ähnlich hoch entwickelte
Zivilisation entwickelt haben wie der moderne Mensch, findet sich durch
einen Unglücksfall in einer Welt wieder, in der ihm nicht nur die
Menschen völlig fremd sind. Nachdem die Probleme der Verständigung
gelöst wurden, entspinnt sich zwischen den Gastgebern und dem
unfreiwilligen Besucher eine Diskussion über die grundlegenden Dinge
des Lebens. Ponter erleidet dabei ganz eindeutig einen Kulturschock, und
auch für die Menschen ist es eine interessante Erfahrung, ihre eigene
Welt mit den Augen eines Fremden zu betrachten, der ihnen geistig
ebenbürtig, aber aus einer völlig anderen Gesellschaftsstruktur
hervorgegangen ist, obwohl er ebenfalls von der Erde stammt. In Ponters
Welt gibt es keine Überbevölkerung, keine Umweltverschmutzung und seit
Generationen keine Kriminalität mehr. Das Paradies auf Erden?
Vielleicht, aber das, was zur selben Zeit auf der "anderen"
Seite passiert, stellt einige der grundlegenden Werte der westlichen
Zivilisation in Frage, nämlich die Wahrung der Privatsphäre und die
Annahme, dass jemand so lange unschuldig ist, bis seine Schuld bewiesen
wurde.
Die philosophische Diskussion über Segen und Fluch verschiedener
gesellschaftlicher Strukturen ist es, was die Lektüre von Hominids so
interessant macht, außerdem ist es Sawyer einmal mehr gelungen,
lebendige und glaubhafte Charaktere zu erschaffen. Und obwohl es sich
hier um Teil I einer Trilogie handelt, kommt das Buch zu einem
befriedigenden Abschluss, so dass es durchaus auch für sich allein
stehen kann. Doch all jene, denen die Charaktere (so wie mir) ans Herz
gewachsen sind, werden sicher auch die nächsten beiden Bände lesen. |
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Monika Hübner
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