  
Michael Novacek
Dinosaurs of the Flaming Cliffs
Monikas Meinung:
  
Die Flammenden Klippen in der Mongolei werden oft als Mekka der
Paläontologie bezeichnet. Lange Zeit waren sie westlichen Wissenschaftlern verschlossen,
erst die Öffnung des Eisernen Vorhangs Ende der 80er bzw. Anfang der 90er Jahre hat neue
Expeditionen in dieses Gebiet ermöglicht, die zu einigen der sensationellsten Funde
dieses Jahrzehnts geführt haben.
Schon in den zwanziger Jahren organisierte das American Museum of Natural History unter der Leitung von Roy Chapman
Andrews mehrere Expeditonen in die Wüste Gobi, die jedoch Ende der 20er aufgrund der
politischen Lage in der Mongolei aufgegeben werden mußten. Eigentlich wollte man damals
gar nicht nach Dinosauriern graben, sondern suchte nach Spuren von Frühmenschen. Was man
in den Ablagerungen aus der späten Kreidezeit (Alter ca. 80 Millionen Jahre) fand, war
jedoch etwas ganz anderes, nämlich Dinosaurier und primitive Säugetiere, die aufgrund
der klimatischen Verhältnisse in einmaliger Qualität erhalten waren.
Beeindruckend ist nicht nur die Qualität der Fossilien aus der Wüste Gobi, sondern
auch deren Quantität. Einer der häufigsten Funde ist der kleine Horndinosaurier
Protoceratops, von dem man Exemplare in sämtlichen Altersstufen gefunden hat, was
äußerst selten ist. Der Allgemeinheit bekannter dürfte jedoch der kleine Theropode
Velociraptor mongoliensis sein, einer der Stars aus Michael
Crichtons JURASSIC PARK. Die ersten Funde dieses flinken Räubers machte schon Roy
Chapman Andrews auf einer seiner Expeditionen.
Manche der Dinosaurier aus der Wüste Gobi sind nordamerikanischen Arten sehr ähnlich,
wie z.b. der große Tyrannosaurier Tarbosaurus bataar. Andere wiederum gleichen keiner
Spezies, die bisher auf einem anderen Kontinent gefunden wurde. Ein solch kurioses Tier
ist der kleine, zahnlose Theropode Oviraptor, was soviel bedeutet wie Eierdieb. Er bekam
seinen Namen, weil man das erste Exemplar auf einem Nest mit Dinosauriereiern gefunden
hat, das Protoceratops zugeschrieben wurde. Man vermutete, daß er vom Tod überrascht
wurde, als er gerade dabei war, das Nest auszuräubern. Ein neuer Fund aus den 90er Jahren
warf diese Theorie jedoch völlig über den Haufen: Man fand einen Oviraptor, der in
Bruthaltung auf einem Nest voller Eier saß und in dieser Stellung fossilisiert war.
Einige dieser Eier enthielten Embryonen, deren genauere Untersuchung ergab, daß es sich
um Oviraptoren handelte. Die Eier selbst entsprachen genau der Form, die man einst
Protoceratops zugeschrieben hatte. Ein schönes Beispiel dafür, daß man bei neuen Funden
niemals vor Überraschungen sicher sein kann und daß so manches Lehrbuch irgendwann
umgeschrieben werden muß.
Michael Novacek ist Kurator am American Museum of Natural History und hat an den
Gobi-Expeditionen in den 90er Jahren teilgenommen. Das Buch ist weniger ein Reisetagebuch
als ein wissenschaftlicher Bericht über die Expeditonen und die verschiedenen Funde. Das
macht den Stoff etwas trockener als z.B. Peter Wards wunderbare Reisebeschreibungen in DER LANGE ATEM DES NAUTILUS, aber es ist dennoch in einem
flüssigen, gut lesbaren Stil geschrieben und auch für Laien verständlich. Neben einer
detaillierten Beschreibung der Fundstücke werden immer wieder Grundlagen vermittelt, die
zum Verständnis der Evolutionsgeschichte der Dinosaurier der Wüste Gobi notwendig sind.
Wer also etwas tiefer in die Materie einsteigen und sich nicht nur mit
Oberflächenwissen zufriedengeben will, dem sei DINOSAURS OF THE FLAMING CLIFFS wärmstens
empfohlen. Ein rundum gelungenes Buch über ein faszinierendes Gebiet der Paläontologie,
geeignet für Anfänger und Fortgeschrittene.
Wer die Gelegenheit dazu hat, sollte sich einige der Fundstücke in New York ansehen,
was ein äußerst beeindruckendes Erlebnis ist. Wer bis auf weiteres nicht nach New York
kommt, kann sich online auf eine virtuelle Reise begeben: Unter dem Thema Gobi - Dinosaurs in the
Desert kann man auf den Webseiten des American Museum of Natural History im
Reisetagebuch der Gobi-Expedition von 1998 lesen und/oder sich Bilder der Fundstücke
anschauen.
Erschienen 1996 bei Anchor Books, New York.
ISBN: 0-385-47775-9 (Paperback-Ausgabe)
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