  
Der lange Atem des Nautilus
Warum lebende Fossilien noch leben
Diese Kritik bezieht sich auf das englische Original.
Monikas Meinung:
   
99,9% aller Arten, die jemals auf der Erde gelebt haben, sind ausgestorben. Diese
Behauptung wird so manchem unglaubwürdig erscheinen, entspricht aber trotzdem den
Tatsachen. Das Leben auf unserem Planeten begann vor ca. drei Milliarden Jahren, und
seither sind unzählige Arten entstanden und wieder verschwunden. Neben dem permanent
stattfindenden sog. Hintergrundaussterben gab es im Laufe der Erdgeschichte fünf große
Aussterbeereignisse, von denen das bekannteste das Massensterben am Übergang von der
Kreidezeit zum Tertiär sein dürfte, bei dem u.a. auch die Dinosaurier verschwanden. Bei
diesem Ereignis handelt es sich jedoch bei weitem nicht um das schlimmste seiner Art, denn
am Ende des Perm (vor ca. 245 Millionen Jahren) sind 96% Prozent aller Arten ausgestorben,
eine schier unvorstellbare Zahl. Die Gründe für diese Aussterbeereignisse sind noch
immer weitgehend unbekannt, auch darüber, wie lange es jeweils gedauert hat, wird
ausdauernd debattiert. Tatsache ist jedoch, dass es nach solchen Ereignissen zu einer
beschleunigten und vermehrten Bildung neuer Arten kam.
Peter D. Ward beschäftigt sich in seinem Buch mit den sog. "lebenden
Fossilien", d.h. Arten, dies es trotzdem geschafft haben, über Jahrmillionen so gut
wie unverändert zu überleben. Zu diesen gehört z.B. der Nautilus, ein Verwandter der
Tintenfische, der in den Jura- und Kreidemeeren mit vielen Familien vertreten war und von
dem bis heute eine Familie mit fünf Arten überlebt hat. Warum gibt es ihn noch, während
die Ammoniten den Beginn des Tertiärs nicht erlebt haben, obwohl sie mehrere hundert
Millionen Jahre lang die Weltmeere bevölkert hatten?
Ein weiteres Beispiel ist der Quastenflosser, von dem man glaubte, er sei am Ende der
Kreidezeit ausgestorben, da in jüngeren Sedimenten keine fossilen Überreste von ihm mehr
gefunden wurden. Im Jahre 1938 fingen Fischer vor den Komoren ein lebendes Exemplar, das
um ein Haar der Wissenschaft entgangen wäre. Seither verfängt sich immer wieder einmal
das eine oder andere Exemplar in Fischernetzen, Beobachtungen dieser hochinteressanten
Spezies sind jedoch erst in jüngster Zeit möglich geworden durch eine verbesserte
Technik, die das Tauchen in tieferen Gewässern erlaubt.
Auch die Pfeilschwanzkrebse, die trotz ihres Namens keine Krebse, sondern Verwandte der
Spinnentiere sind, haben alle Unbilden im Verlauf der Erdgeschichte unbeschadet
überstanden. Rezente Exemplare unterscheiden sich nicht wesentlich von fossil bekannten
Arten. Warum ist das so?
Wer Antworten von einem Experten auf all diese Fragen möchte, dem sei DER LANGE ATEM
DES NAUTILUS wärmstens empfohlen. Abgesehen davon, dass man vieles erfährt, was man
(vielleicht) noch nicht wusste, ist das Buch sehr gut lesbar. Man bekommt keine trockene
wissenschaftliche Abhandlung präsentiert, sondern begleitet Peter Ward auf seinen Reisen
zu den Fundorten auf der ganzen Welt und erfährt dabei auch etwas über Land und Leute.
Sein Erzählstil ist flüssig und vermag die Aufmerksamkeit des Lesers derart zu fesseln,
dass man das Buch kaum noch aus der Hand legen kann, wenn man es einmal angefangen hat.
Fazit: Faszinierende Reiseerzählungen durchsetzt von "harten"
wissenschaftlichen Fakten. Eines der besten populärwissenschaftlichen Bücher zum Thema
Paläontologie der 90er Jahre schlechthin und eine spannende Lektüre für jeden, der
bereit ist, sich in eine fremde, untergegangene Welt entführen zu lassen.
Spektrum Akademischer Verlag Heidelberg 1993
ISBN: 3-86025-087-6
Originatitel: On Methuselah's Trail:
Living Fossils and the Great Extinctions
W.H. Freeman & Company, New York, 1992
ISBN: 0-7167-2488-x
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