Eine Bemerkung vorweg: Dieser Text soll kein Vergleich zwischen Buch und Film sein, wer
etwas über den Film wissen möchte, sollte unseren Beitrag dazu in der Rubrik
Filmkritiken lesen.
In einer Küstenregion von Costa Rica geschehen im Jahre 1989 merkwürdige Dinge. Ein
kleines Mädchen wird am Strand von einer ungewöhnlichen kleinen Echse gebissen und
stirbt beinahe an einer allergischen Reaktion, auch aus anderen Gegenden Costa Ricas
werden Echsenbisse gemeldet. Betroffen sind fast ausschließlich schlafende Kleinkinder,
es kommt dabei sogar zu einigen Todesfällen. Der Biologe Marty Guitierrez beschließt,
der Sache auf den Grund zu gehen und bezieht einen Tag lang Posten am Strand. Als er nach
einem aufreibenden Tag am Abend unverrichteter Dinge nach Hause fahren will, sieht er
plötzlich einen Brüllaffen, dem eine halb gefressene Echse aus dem Maul hängt.
Überzeugt, eine Spur gefunden zu haben, schickt er das Fragment an ein Institut für
Tropenmedizin, um es auf Krankheitserreger untersuchen zu lassen. Eine der dortigen
Laborangestellten wundert sich über das merkwürdige Aussehen des Tieres, das sie stark
an die Dinosaurier erinnert, die ihr Sohn immer zeichnet. Sie beschließt deshalb, sich
mit einem Fachmann in Verbindung zu setzen und schickt per Fax ein Röntgenbild an den
Paläontologen Alan Grant, der sich gerade bei Ausgrabungen am so genannten Eierhügel in Montana
befindet.
Grant, der zunächst an einen dummen Scherz glaubt, traut seinen Augen nicht, als das
Fax bei ihm eintrifft. Zu der Aufregung, die es bei ihm und seiner Assistentin Ellie
Sattler hervorruft, kommt hinzu, dass beide aufgefordert werden, zusammen mit dem Anwalt
Donald Gennaro und dem Mathematiker Ian Malcolm ein Wochenende lang einen Vergnügungspark
zu überprüfen, der seine Tore ein halbes Jahr später öffnen soll. Mit der Aussicht auf
das Honorar, das ausreicht, um ihre Ausgrabungen im nächsten Sommer zu finanzieren,
lassen Grant und Sattler sich überreden, diesen lukrativen Wochenendjob als Fachgutachter
anzunehmen. Bei ihrer Ankunft auf der Costa Rica vorgelagerten Isla Nublar erleben sie
dann die Überraschung ihres Lebens, als sie feststellen, dass es sich nicht um einen
herkömmlichen Vergnügungspark handelt, sondern um einen Zoo, in dem geklonte Dinosaurier
als Touristenattraktion gehalten werden. Sie sollen beurteilen, ob der Park für
Besucher sicher ist.
Außerdem befindet sich noch Dennis Nedry auf der Insel, der das Computersystem für
Dino Park programmiert hat, um die letzten Bugs zu bereinigen. Nedry hat an diesem
Wochenende jedoch noch mehr vor, als nur ein paar Programmierfehler zu beseitigen und
löst dabei durch eine Verkettung unglücklicher Umstände eine Katastrophe aus.
Als in den 80er Jahren die Möglichkeit am Horizont auftauchte, DNA
von prähistorischen Tieren zu isolieren, hat Michael Crichton diese Idee für sein wohl
bisher bestes Buch aufgegriffen. Da man damals davon ausging, dass DNA in versteinerten
Knochen kaum zu finden sein würde, erschien ihm die Idee, das genetische Material für
seine geklonten Dinosaurier aus blutsaugenden, in Bernstein konservierten Insekten zu
beziehen, plausibler. Warum sowohl die eine wie die andere Methode schier unüberwindliche
Schwierigkeiten mit sich bringt, haben David Lindley und Rob DeSalle in ihrem Buch "The Science of Jurassic Park" sehr anschaulich
dargestellt, darauf soll hier nicht näher eingegangen werden.
Was DINO PARK so interessant macht, ist, dass uns vor Augen geführt wird, was alles
passieren könnte, wenn der sehr unwahrscheinliche Fall eintreten sollte, dass es wirklich
jemandem gelänge, Dinosaurer wieder zum Leben zu erwecken. Könnte ein solches Projekt
überhaupt funktionieren, welche Faktoren müssten dabei berücksichtigt werden? Crichton
gelingt es hier wie in keinem anderen seiner Bücher, Wissenschaft und Fiktion so
miteinander zu verknüpfen, dass der Leser sich von den Ausflügen in die
Wissenschaftsgeschichte ebenso unterhalten fühlt wie von der eigentlichen Handlung. So
erfährt man etwas über die Anfänge der Paläontologie, über ein paar der populärsten
Dinosaurierforscher und bekommt obendrein die Grundzüge der Chaostherorie erklärt.
Letzteres hat einen ganz besonderen Reiz, was daran liegt, dass Crichton mit Ian Malcolm,
dem unkonventionellen Chaosforscher, der Schwarz trägt, weil er sein Leben nicht mit
Kleiderfragen verschwenden will, eine seiner liebenswertesten Romanfiguren geschaffen hat.
Dass die meisten Figuren in DINO PARK leicht überzeichnet sind, stört nicht. Crichton
hatte sicher nicht vor, ein Charakterdrama im Stile des 19. Jahrhunderts abzuliefern, ihm
kam es in erster Linie auf die Action und Spannung an, die kontinuierlich aufgebaut
wird und gegen Ende des Buches mit dem Ausbruch der Velociraptoren ihren Höhepunkt
erreicht. Nebenbei bemerkt geht er mit seinen Figuren nicht eben zimperlich um, und die
Tatsache, dass nicht nur Randfiguren die Insel nicht mehr lebend verlassen,
lässt die
Handlung glaubhafter erscheinen. Die Szenerie wechselt ständig zwischen den im
Besucherzentrum Eingeschlossenen und denjenigen, die sich im Park mitten unter den
Dinosauriern befinden.
Besondere Mühe hat Crichton sich mit der Beschreibung der verschiedenen
Dinosaurierarten gegeben, wobei er sich auf die neuesten, Ende der 80er Jahre verfügbaren
Erkenntnisse stützte. Seit den 70ern hat mit einer neuen Generation von Paläontologen,
allen voran John Ostrom und dessen Schüler Robert T. Bakker, eine Revolution in der Sicht
der Dinosaurier stattgefunden. Sie werden nun nicht mehr als kaltblütige, langsame
Reptilien gesehen, die in Sümpfen leben mussten, um ihr enormes Gewicht tragen zu
können, sondern als agile Landtiere, die wesentlich enger mit unseren heutigen Vögeln
verwandt sind als mit Krokodilen und anderen Echsen. Von vielen kleineren Arten nimmt man
inzwischen an, dass sie aktive, warmblütige Tiere waren, die zur Isolierung ein
Federkleid wie Vögel hatten. Die neuesten Funde aus China und der Mongolei scheinen diese
Theorie zu bestätigen, obwohl es wahrscheinlich niemals möglich sein wird, dies mit
allerletzter Gewissheit zu sagen, es sei denn, jemand erfände eine Zeitmaschine und
würde damit in die Kreidezeit reisen! Aber bei DINO PARK befinden wir uns im Reiche der
Fiktion, d.h. alles ist erlaubt, was die Fantasie des Lesers beflügelt. Vor unserem
geistigen Auge werden Tyrannosaurus rex, Apatosaurus, Triceratops, Maiasaura und
Velociraptor wieder lebendig und bevölkern die Isla Nublar mit ihrer Gegenwart. Sie sind
die wahren Hauptfiguren von DINO PARK, die unvermittelt in eine Welt katapultiert wurden,
die sich grundlegend von ihrer eigenen unterscheidet, die vor 65 Millionen Jahren
unterging. Ihre Begegnung mit der Spezies Homo sapiens konnte nur chaotische Folgen haben.
DINO PARK ist einer der Romane, die man nicht aus der Hand legen kann, wenn man sich
einmal in die Geschichte vertieft hat. Er mag streckenweise etwas "technisch"
anmuten, ist aber insgesamt eine der spannendsten Stories rund um ein wissenschaftliches
Thema, die jemals geschrieben wurden. Einer der besten Romane der 90er Jahre von einer
Qualität, die der Autor seither leider nie wieder erreicht hat. Absolut lesenswert.
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