Der Roman SCHWARZE NEBEL erschien zum ersten Mal 1994 auf Deutsch unter dem Titel DIE
IHRE TOTEN ESSEN. Nachdem der Stoff fürs Kino verfilmt wurde, wurde es unter dem Titel
DER 13. KRIEGER neu aufgelegt. Es handelt sich dabei um eines jener Frühwerke von Michael
Crichton, die nach dem sensationellen Erfolg von DINO PARK auf
Deutsch vorgelegt oder neu
aufgelegt wurden.
Wir schreiben das Jahr 922 n.Chr. Ibn Fadlan, Botschafter des Kalifen von Bagdad, wird
auf seinem Weg zum König der Bulgaren von einer Bande Nordmänner gekidnappt, die ihn
zwingen, sie in ihr Land zu begleiten und ihnen bei ihrem Kampf gegen die sagenumwobenen
Dunstwesen und den Glühwurmdrachen beizustehen. Ibn Fadlan, der es zum Erstaunen der
Nordmänner versteht, "Töne zu malen", wird später seine Erlebnisse in einem
Reisebericht niederschreiben.
Das Besondere an diesem Roman ist sein Ausgangspunkt, nämlich das historische
Manuskript des Arabers Ibn Fadlan, aus dem Crichton Passagen in seine fiktive Geschichte
übernommen hat. Die Beschreibungen der barbarischen Sitten der Nordmänner zu Beginn des
Buches sind Augenzeugenberichte des arabischen Reisenden, der Rest ist eine mehr oder
minder "freie" Nacherzählung der Beowulf-Sage, die Crichton mit seiner
Geschichte vermischt hat, obwohl das Beowulf-Manuskript schätzungsweise 200 Jahre älter
ist. So seltsam es für manchen klingen mag, ist ihm dies erstaunlich gut gelungen.
Die Parallelen sind nicht zu übersehen, sie erschöpfen sich keineswegs darin,
dass der Anführer der Nordmänner in SCHWARZE NEBEL Buliwyf heißt. Auch König Rothgar, dem
Beowulf bei seinem Kampf gegen das Ungeheuer Grendel half, hat seinen Auftritt. Der
Grendel und der Drache, gegen die Beowulf kämpft, werden hier durch ein und dieselbe
Bedrohung repräsentiert, nämlich die Dunstwesen, menschenähnliche Kreaturen, die aus
dem Nebel heraus angreifen und Tod und Zerstörung bringen.
Erzählt wird die Geschichte in der Ich-Form, da es sich um ein historisches Manuskript
handeln soll. Hier liegt auch die Ursache für den etwas seltsam anmutenden,
altertümlichen Erzählstil, an den man sich erst gewöhnen muss, jedenfalls dann, wenn
man schon diverse andere Bücher von Crichton gelesen hat. Die Verwirrung, ob es sich
wirklich um einen authentischen Bericht handelt, wird erst recht dadurch perfekt,
dass der
Autor seinen Text mit Fußnoten versehen hat, so als würde es sich tatsächlich um eine
historische Schrift handeln. Dies kann man im Grunde nur als perfide bezeichnen, und wir
unterstellen hier ruhig einmal, dass es Absicht ist, dadurch ein wenig Verwirrung zu
stiften. Leider fehlt die Passage, in der Crichton zugibt, dass letztendlich doch alles
(bis auf den Anfang) reine Fiktion sei, aus irgendeinem Grund in der deutschen
Übersetzung. Jedenfalls konnte ich sie im Nachwort meiner Erstausgabe von 1994 nicht
finden. Leser der englischen Ausgabe verweisen jedoch immer wieder darauf. Da aber auch IM KREIS DER WELT erhebliche Kürzungen erfahren hat, die das
Gesamtbild des Buches ziemlich zerstören, halte ich es nicht für ausgeschlossen,
dass dieser Absatz ersatzlos gestrichen wurde.
Wer einen "typischen" Crichton erwartet, wird von SCHWARZE NEBEL
wahrscheinlich enttäuscht sein. Aufgrund des Erzählstils schafft das Buch jedoch eine
ganz besondere Atmosphäre, die die Ereignisse geradezu unheimlich real wirken
lässt. Die
Idee, die Dunstwesen als einen überlebenden Stamm von Neandertalern zu beschreiben, hat
durchaus ihren Reiz. In jedem Fall handelt es sich hier um ein Buch, das gewissermaßen
aus dem Rahmen fällt und zeigt, dass Michael Crichtons schriftstellerische Palette doch
etwas breiter ist, als so mancher annimmt.
Nachtrag: Das fehlende zweite Nachwort zu
diesem Roman ist anscheinend erst in Ausgaben enthalten, die nach 1992
erschienen sind (was aber das Fehlen in der deutschen Ausgabe von 1994 nicht
hinreichend erklärt).
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