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Warum die Mammuts die Eiszeit nicht überleben
Diese Kritik bezieht sich auf das englische Original.
Monikas Meinung:
   
Stellen Sie sich vor, jemand hätte eine Zeitmaschine erfunden und es möglich gemacht,
zu einem beliebigen Punkt in der zu Zeit reisen, vorwärts, rückwärts, wie es einem
beliebt und man könnte auf diese Art die großen Rätsel der Wissenschaft lösen. Peter
Douglas Ward nimmt uns in seinem neuen Buch mit auf eine solche - wenn auch rein
gedankliche Reise - die dazu beitragen soll, das Geheimnis von drei großen Aussterbeereignissen zu ergründen: Das große Massensterben am Ende des Perm vor ca. 245
Millionen Jahren, das Aussterben der Dinosaurier vor 65 Millionen Jahren und das
Verschwinden der großen Eiszeitsäuger in jüngster geologischer Vergangenheit vor ca.
10000 Jahren zu Beginn des Holozäns, der derzeitigen Warmzeit.
Worin unterscheiden sich diese drei Ereignisse? Gibt es Gemeinsamkeiten oder muss man
sie in völlig getrenntem Zusammenhang sehen? Ward ist der Meinung, um aktuelle Ereignisse
beurteilen zu können, sei ein tieferes Verständnis der Vergangenheit nötig. Über das
Aussterben von Mammut, Mastodon und Wollnashorn sind schon viele Theorien aufgestellt
worden: Sind sie auf "natürliche" Art durch die Klimaveränderung am Ende der
letzten Kaltzeit ausgestorben oder ist unsere eigene Spezies, der Mensch, nicht ganz
unschuldig daran?
Das Buch bietet interessante Einblicke in neue Methoden, alte Rätsel zu lösen. So
brachten z.B. Bohrkerne aus dem Grönlandeis Erstaunliches zutage, nämlich dass das heute
herrschende Klima völlig untypisch ist in seiner Stabilität. Während der letzten 2.5
Millionen Jahre waren abrupte Klimaschwankungen in Zeiträumen von noch nicht einmal einem
Jahrzehnt an der Tagesordnung. Während des gesamten Pleistozäns wechselten Warm- und
Kaltzeiten einander ab, so dass es nicht ganz einsichtig erscheint, warum ausgerechnet die
letzte Erwärmung zum Verschwinden der großen Eiszeitfauna geführt haben soll.
Ein weiterer interessanter Aspekt ist Wards Blick auf die Evolution des Menschen
selbst. Den modernen Menschen wie wir ihn verstehen gibt es seit ungefähr 100000 Jahren
oder sogar noch etwas länger. Morphologisch hat sich unsere Spezies in dieser Zeit nicht
mehr verändert, auch das Gehirn ist nicht größer geworden. Interessanterweise hat es
aber 90000 Jahre gedauert, bis wir anfingen, sesshaft zu werden und Ackerbau zu betreiben,
obwohl unsere intellektuellen Fähigkeiten sich bereits vor 100000 Jahren entwickelt
haben. Und wir begannen damit ausgerechnet in dem Moment, als das Klima sich nach
zweieinhalb Millionen Jahren plötzlich stabilisierte und die letzten Großsäuger von der
Oberfläche des Planeten verschwanden. Purer Zufall? Der Autor sagt nein und führt zur
Untermauerung seiner Theorie ein neues Computermodell ins Feld, das darauf hindeutet, dass
die früher vermuteten "Massenschlachtfelder" gar nicht nötig sind, um eine
Spezies auszurotten.
Das Buch schließt mit einem Ausblick in die Zukunft, einer Reise ins Jahr 3001 in
eines der großen afrikanischen Wildreservate, um zu sehen, ob es in dieser (für den
Menschen) fernen Zukunft noch Elefanten gibt, die letzten heute noch lebenden Verwandten
der Mammuts.
Wieder einmal hat Peter Douglas Ward es geschafft, den Leser zu fesseln, indem er
komplexe Zusammenhänge mit einfachen Mitteln zu erklären versucht. Sein
schriftstellerisches Können sorgt dafür, dass der Stoff nicht wie eine trockene
wissenschaftliche Abhandlung präsentiert wird, sondern die Lektüre von "Ausgerottet
oder ausgestorben" zu einem reinen Vergnügen werden lässt, ohne dabei zu stark zu
vereinfachen. Ein Highlight der populärwissenschaftlichen Literatur.
Erschienen 1998 bei Birkhäuser
ISBN: 3-7643-5915-3
Originaltitel: The Call of Distant Mammoths
Copernicus, New York, 1997
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