Robert J. SawyerFlashforwardMonikas Meinung:
Im Jahre 2009 bereiten die Physiker Lloyd Simcoe und Theo Procopides am Europäischen Forschungszentrum für Teilchenphysik (kurz CERN) bei Genf ein Experiment vor, dass die Existenz des Higgs-Teilchens beweisen soll. Doch es kommt zu einem Zwischenfall, den niemand voraussehen konnte: Für fast zwei Minuten verlieren alle Menschen auf dem gesamten Globus das Bewusstsein und werden 21 Jahre in die Zukunft versetzt. Die Folgen sind weltweit katastrophal, es kommt zu unzähligen Todesfällen, je nachdem was der einzelne gerade tat, als der "Zwischenfall" passierte. Auch Lloyd hat einen schmerzlichen Verlust zu verzeichnen, außerdem scheint es, dass er in 21 Jahren nicht mehr mit der Frau zusammen sein wird, die er in allernächster Zukunft heiraten will. Theo gehört zu den Personen, die keine Vision haben – ein Hinweis darauf, dass er in 21 Jahren nicht mehr unter den Lebenden weilen wird, obwohl er 2009 erst 27 Jahre alt ist. Für sein elftes Buch hat Robert Sawyer einen recht ungewöhnlichen Schauplatz gewählt, wenn man daran denkt, dass die meisten anderen seiner Bücher in seiner Heimat Kanada oder zumindest in Nordamerika spielen - jedenfalls diejenigen, deren Handlung auf der Erde spielt. Beim CERN (eine Abkürzung für "Centre Européen de Recherche Nucléaire") befasst man sich schon seit längerer Zeit nicht mehr mit Kernforschung, wie sie im allgemeinen verstanden wird, sondern mit der Suche nach subatomaren Teilchen. Der Unfall passiert bei einem Experiment mit einem neuartigen Partikelbeschleuniger, dem LHC (für "Large Hadron Collider"), der derzeit in der Planung ist und Mitte dieses Jahrzehnts fertig sein soll. Wie üblich gibt Sawyer sich große Mühe, seine Charaktere glaubhaft erscheinen zu lassen. Seine Wissenschaftler sind keine stereotypen Marionetten, sondern wirkliche Menschen mit kleinen oder größeren Schwächen. Sie sind außerdem ebenso verwundbar wie der Rest der Welt und werden keineswegs von den Auswirkungen des Flashforward verschont. Eine zentrale Rolle spielt der junge Physiker Theo Procopides, dem nur zu bald klar wird, warum er im Gegensatz zu seinen Freunden keine Vision hatte. Mit Hilfe des World Wide Webs – das übrigens am CERN entwickelt worden ist – versucht er, an Informationen über seinen Tod zu gelangen. Der Schock ist groß, als er erfährt, dass er einem Mordanschlag zum Opfer fallen wird. Wie schon in Frameshift und Illegal Alien wird hier ein Kriminalfall geschickt mit Sciencefiction verwoben. Die Idee, nach einem Mörder zu fahnden, der den fraglichen Mord erst in 21 Jahren begehen wird, lässt die Grenze zwischen den Genres verschwimmen, je weiter man liest. Die Kernfrage des Buches dürfte aber lauten: Steht die Zukunft bereits fest oder ist sie veränderbar? Die Visionen während des Flashforward scheinen auf eine vorherbestimmte Zukunft hinzudeuten, aber was ist mit dem freien Willen des Menschen? Sawyer hat einmal mehr bewiesen, dass es ihm weder an Phantasie mangelt noch an der Fähigkeit, seine Leser von der ersten bis zur letzten Seite spannend zu unterhalten. Ich werde jedenfalls mit Sicherheit auch seine nächsten Bücher lesen. Tor, New York, 2000
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Zuletzt aktualisiert am: Donnerstag, 17. April 2003 Copyright 2000 Christina Gross & Monika Hübner |