Robert J. SawyerFrameshiftMonikas Meinung:
Der kanadische Wissenschaftler Pierre Tardivel arbeitet in Berkeley am Human Genome Project, der Kartografierung des menschlichen Genoms. Eines Abends wird er mit seiner Frau Molly auf dem Heimweg von einem Neonazi angegriffen. Molly, die die Gedanken von Menschen lesen kann, die sich in ihrer unmittelbaren Nähe befinden, erklärt ihm später, dass es sich um einen geplanten Anschlag auf sein Leben gehandelt hat. Warum jemand ein Interesse daran haben könnte, Pierre zu töten, ist beiden zunächst ein Rätsel. Szenenwechsel. Wir befinden uns im Zweiten Weltkrieg im Vernichtungslager Treblinka, wo ein gefürchteter Aufseher, der allgemein unter dem Namen Iwan der Schreckliche bekannt ist, die dort inhaftierten Juden misshandelt. Avi Meyer, Sohn eines der Insassen des Konzentrationslagers, bemüht sich, mehr als 50 Jahre nach den Ereignissen Iwan dem Schrecklichen auf die Spur zu kommen, um ihn endlich seiner gerechten Strafe zuzuführen. Auch Pierre Tardivel wird als junger Mann unversehens mit der Vergangenheit seiner eigenen Familie konfrontiert, als seine Mutter ihm eröffnet, dass der Mann, den er immer als seinen Vater angesehen hatte, nicht sein biologischer Vater ist. Pierre arrangiert ein Treffen mit seinem wirklichen Erzeuger, das tiefgreifende Folgen für sein Leben hat und seinen weiteren Lebensweg einschneidend verändert. Mit Frameshift hat Robert Sawyer einen komplexen Roman geschrieben, der zwei Handlungsebenen aufweist, die zunächst nicht das geringste miteinander zu tun zu haben scheinen. Es ist ein merkwürdiger, aber äußerst gelungener Mix zwischen Science Fiction, Thriller und Kriminalroman. Auf der Suche nach den Motiven für den Anschlag auf sein Leben stößt der an das kanadische Gesundheitssystem gewöhnte Wissenschaftler auf unseriöse Praktiken der amerikanischen Versicherungsgesellschaften, die schwerwiegende ethische Fragen aufwerfen. Die Gentechnik, die es erlaubt, Erbkrankheiten zu erkennen und vielleicht auch einmal zu heilen, hat auch ihre Schattenseiten. Wo soll man die Grenze ziehen? Bei der Benachteiligung von Menschen mit "schlechten" Genen oder erst bei gentechnischen Experimenten am Menschen? Das sind sicherlich keine Fragen, die ein Roman beantworten könnte, aber eine sorgfältig konstruierte Handlung mit glaubhaften Charakteren kann zumindest einige Denkanstöße bieten. Manche werden vielleicht sagen, dass Sawyer mit Frameshift über sein Ziel hinausgeschossen ist, weil er zu viele Subplots in seine Geschichte hineingepackt hat. Man hat jedoch nie den Eindruck, dass er sich verzettelt, und die verschiedenen Themen, die aus dem Buch ein konfuses Sammelsurium an Ideen hätten machen können, fügen sich wie ein Puzzle harmonisch ineinander, je weiter man liest. Ein bemerkenswertes Buch von einem hierzulande leider kaum bekannten Autor. Tor Books, New York, 1998
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Zuletzt aktualisiert am: Donnerstag, 17. April 2003 Copyright 2000 Christina Gross & Monika Hübner |