Sara Paretsky
Total Recall
Ihr wahrer Name
Penguin Books 2002
ISBN 0141007133
Die Kritik beruht auf dem
amerikanischen Original.
Christinas Meinung:
Ein Kongress jüdischer
Organisationen in Chicago, wo auch die Forderung, dass Versicherungsgesellschaften
endlich die Ansprüche aus den Lebensversicherungen von im Holocaust
umgekommenen Juden anerkennen sollen, hitzig debattiert wird, schlägt hohe
Wellen. Jüdische Gruppen und auch schwarze Organisationen verlangen von den
Gesellschaften, zuzugeben, von Holocaust und
Sklaverei profitiert zu haben. Da stößt die Privatdetektivin V. I. Warshawski,
die einen angeblich bereits eingelösten Versicherungsanspruch eines Klienten
untersucht, nicht gerade auf offene Türen bei der Ajax-Versicherungsgesellschaft.
Der Holocaust wird von der Schlagzeile zur persönlichen Angelegenheit, als ein
angeblicher Überlebender des Lagers Theresienstadt auftaucht, der die
schlimmsten Erinnerungen ihrer Freundin Lotty Hershel weckt. Lotty weigert
sich, Vics Hilfe anzunehmen.
Eine Krimihandlung dazu zu
benutzen, brisante politische Themen aufzugreifen, ist Sara Paretskys
Spezialität. In TOTAL RECALL gelingt ihr das wie in kaum einem anderen Buch.
Sie legt die komplizierten Sachverhalte dar, ohne zu dozieren, schafft dabei
überzeugende Charaktere, die die Geschichte tragen, und verbindet ihre beiden
Handlungsstränge auf eine Weise, die die Gutgläubigkeit der Leser nicht
überstrapaziert. Wie immer bezieht die Autorin dabei auch deutlich Stellung,
nicht nur zur Problematik der Entschädigung der Nachkommen von Holocaust-Opfern
und ehemaligen Sklaven, sondern auch zu der Frage von platzierten Erinnerungen.
Die Krimihandlung folgt dem
klassischen Whodunnit-Muster, und Paretsky gibt Lesern, die gerne mitraten,
genügend Hinweise auf die Hintergründe der begangenen Verbrechen, um sie nicht
zu enttäuschen. Die Taten sind nachvollziehbar, aber nicht zu schnell
durchschaubar.
Zum ersten Mal lässt
Paretsky nicht nur ihre Heldin V. I. Warshawski zu Wort kommen, sondern erzählt
einen Teil der Geschichte auch aus der Sicht von Lotty Hershel. Leider gelingt
es ihr nicht völlig, Lotty eine eigene Stimme zu verleihen, so dass die
Übergänge von einer Erzählerin zur anderen hauptsächlich durch die
Kapitelüberschriften und die verschiedenen
Handlungszeiten zu erkennen sind. Bedauerlich auch,
dass Lottys eigene Erzählung so früh endet und dass die
Leser in der zweiten Hälfte wieder ganz auf Vics Ermittlungen angewiesen sind.
Ein einfühlsames Buch zu
einem brisanten Thema.
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Christina
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