Wertung: AUA
Die Bewertung ergibt sich aus der wahnsinnig hochgetriebenen
Erwartungshaltung dieses über alle Maßen und von allen maßgeblichen
Größen gelobten Buches.
Es ist mir noch so richtig gegenwärtig, wie Reich-Ranicki mit
bebender Stimme und feuchten Augen sagte, dass das DER Roman sei. Dann
verlas er einen Satz und meinte, dass darin die Essenz des Lebens
zusammengefasst ist und dieser Satz nicht zu übertreffen sei. Das ist
allerdings schon etliche Jahre her und machte mich natürlich neugierig,
obwohl die ganze Story sich nicht so anhörte, als könne sie mich vom
Hocker reißen. Aber man weiß ja nie.
Die ersten paar Seiten waren wirklich amüsant. Ein Pärchen findet
beim absichtlichen falsch Dolmetschen zusammen. Echt tolle Idee. Die
beiden heiraten und verbringen ihre Flitterwochen auf Havanna. Und
irgendwie wird es dabei total zäh. Ich versuchte es ernsthaft, aber ich
kam nicht vorwärts. Literarischer Treibsand. Vielleicht hatte ich die
falsche Grundeinstellung, oder war zu angespannt oder sonst was. Ich
wollte dann mit einer Freundin über dieses Buch sprechen, doch auch sie
war steckengeblieben, genauso wie eine Kollegin. Aber so schnell gebe
ich nicht auf. Es gibt Bücher, da muss man sich reinknien. Doch
vergebens. Inzwischen hatte ich das Buch etliche Male im Urlaub dabei,
wo ich ganz entspannt und ausgeruht dranging. So ein Tapetenwechsel kann
sich ja anregend auswirken. Aber ich komme über die ersten Tage in
Havanna nicht hinaus.
Vielleicht ist das Buch wirklich toll. Aber mir ist das verborgen
geblieben. Ich habe irgendwo gelesen, dass das große Plus dieses Buches
die Detailverliebtheit ist. Eine Szene, die 10 Sekunden dauert, kann
über 10 Seiten gehen. Das ist auch genau mein Eindruck: verliebt,
verlobt, verheiratet – Ende der Geschichte. Der Rest ist eine nicht
endende Beschreibung von Belanglosigkeiten – zumindest bis zu dem
Punkt, an dem ich das Buch frustriert weglegte. Aus meiner Sicht schadet
ein bisschen Handlung nicht.
Andererseits ist das Preis/Leistungsverhältnis wirklich toll. Für
so wenig Märker so lange lesen – das hat schon was.
Ich behalte das Buch sicherheitshalber mal, für den Fall dass ich
mit einer langwierigen Krankheit geschlagen werde oder eine Haftstrafe
antreten muss.
Aber es ist wirklich kein Buch, das man gelesen haben muss. Und was
die Ergriffenheit des Herrn Reich-Ranicki betrifft, so frage ich mich
manchmal, ob das nicht nur Rache an den Zuschauern war.