George R. R. Martin
A Game of Thrones
A Song of Ice and Fire, Book I
Das Erbe von Winterfell/Die Herren von Winterfell
Bantam Spectra 1997, ISBN 0-553-57340-3
Diese Kritik bezieht sich
auf das amerikanische Original.
Monikas Meinung:
Die
beiden ersten Teile von George R. R. Martins Lied von Eis und Feuer entführen den Leser in eine Welt, in der die Sommer
Jahrzehnte währen können und die Winter ein Jahrhundert. Das Motto der Familie
Stark von Winterfell heißt daher auch: Winter
is Coming - der Winter steht vor der Tür. Der gegenwärtige Sommer, der
bereits zehn Jahre gedauert hat, neigt sich langsam dem Ende zu - die vier
jüngeren Kinder der Familie Stark haben noch nie einen Winter erlebt. Der erste
Band von Martins monumentaler Fantasy-Saga, der in deutscher Übersetzung in
zwei Bänden erschienen ist, dreht sich vor allem um das Geschick der Familie
Stark von Winterfell, die sich unversehens aufs engste in die Rivalität um die
Thronfolge der sieben Königreiche von Westeros verstrickt sieht.
Lord Eddard Stark ist ein
Jugendfreund von Robert Baratheon, dem derzeitigen König, der nach dem Sturz
des alten Königshauses Targaryen an die Macht gekommen ist. Nachdem Jon Arryn,
sein erster Berater, auf mysteriöse Weise aus dem Leben scheidet, ernennt Robert
seinen Freund Eddard an dessen Stelle zum ersten Berater. Eddard ist zwar nicht
begeistert, akzeptiert jedoch aus Freundschaft für Robert und auch aus
Pflichtgefühl. Königin Cersei, Roberts Frau, stammt aus der Familie der
Lannisters, die unmittelbar am Sturz des Geschlechts Targaryen beteiligt war -
ihr Zwillingsbruder Jaime trägt den Beinamen Kingslayer, Königsmörder. Ihr erstes Ziel besteht darin, ihrem
ältesten Sohn Joffrey die Thronfolge zu sichern, und sie schreckt vor nichts
zurück, um dieses Ziel zu erreichen.
Nachdem mir George R. R.
Martins Novelle Der Heckenritter [in:
Robert Silverberg (Hrsg): Der siebte
Schrein] sehr gut gefallen hatte, war ich neugierig auf seine viel
gepriesene (wenn auch leider noch nicht vollendete) Fantasy-Saga geworden,
hatte mich aber nicht recht dazu überwinden können, den gut 800 Seiten starken
ersten Band in Angriff zu nehmen. Ein Fehler, wie ich feststellen musste, da
ich bereits nach ca. 50 Seiten so gefesselt war, wie es mir in letzter Zeit
nicht allzu oft passiert ist. Martins Stärke liegt ganz eindeutig in der
Charakterentwicklung, was mir sehr entgegen kommt; wer minutiöse, endlose
Beschreibungen der Welt von Westeros erwartet, wird dagegen enttäuscht werden.
Meistens finde ich Bücher,
in denen die Geschichte abwechselnd aus der Perspektive mehrerer Figuren
erzählt wird, eher verwirrend. Martin jongliert jedoch meisterhaft mit den
unterschiedlichen Handlungssträngen, die sich an vielen Stellen treffen, aber
am Ende des Buches nicht zwangsläufig alle zusammenlaufen - das wird wohl erst
in späteren Büchern der Serie der Fall sein. Wer sich dennoch von der Vielzahl
seiner Figuren verwirrt sieht, kann im Anhang nachschlagen, wo nicht nur die
Stammbäume der Familien aufgeführt sind, sondern auch sonstige Angehörige des
jeweiligen Haushalts.
Der größte Teil der
Geschichte wird aus der Perspektive von Eddard Stark, seiner Frau Catelyn und
ihren Kindern Bran, Arya und Sansa erzählt. Noch interessanter fand ich
allerdings die Kapitel, in denen wir die Ereignisse sozusagen "von
außen" verfolgen konnten. Zum Beispiel mit den Augen von John Snow, Lord
Eddards unehelichem Sohn, der im gleichen Alter ist wie sein Erbe Robb, und der
mit vierzehn Jahren Winterfell verlassen muss, um der Night Watch beizutreten, weil er Catelyn schon immer ein Dorn im
Auge gewesen war. Die interessanteste Figur ist jedoch Tyrion Lannister, ein
Bruder von Königin Cersei und der Schandfleck der Familie, der durch die
Inzucht, die dort seit Generationen praktiziert wird, verkrüppelt ist und deshalb
von seinem Vater nicht ganz für voll genommen wird. Seine zynische
Lebensauffassung und sein zwiespältiger Charakter machen ihn zu einer
faszinierenden Figur. Neben den Lannisters und den Starks verfolgen wir noch
den Lebensweg der dreizehnjährigen Danaerys Targaryen, dem jüngsten Spross des
gestürzten Königshauses, die von ihrem machtgierigen Bruder mit einem wilden
Kriegsherrn aus einem fernen Reich verheiratet wird, in der Hoffnung, dass die
Familie eines Tages ihren Thron zurückerobern kann.
Die Herren von Winterfell und Das Erbe von Winterfell stellen lediglich
der Beginn einer spannenden Geschichte dar, die immer wieder überraschende
Wendungen nimmt. Man sollte allerdings nicht erwarten, dass es am Ende für alle
Beteiligten ein Happyend gibt, sondern immer damit rechnen, dass jemand (auf
meist ziemlich unschöne Art und Weise) das Zeitliche segnet.
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Monika
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