Marc Levy
Wo bist du?
Helgas Meinung
"Am Anfang steht ein glückliches Pärchen, eines von der Sorte,
das sich blind versteht, dem Partner die Wünsche von den Augen abliest.
Bedauerlicherweise entpuppt sich der weibliche Part als ein Wildfang der
ganz besonderen Art, ein stetig unruhiger Geist, den es in die weite
Welt zieht - vorzugsweise um Hilfe in Katastrophengebieten zu leisten.
Diese Arbeit nimmt eine immer größere Wertigkeit in ihrem Leben ein,
worüber die Beziehung letztendlich zerbricht und nun jeder seiner
eigenen Wege zieht. Bis eines Tages ihre Tochter vor seiner Haustüre
steht ..."
Diese Beschreibung machte mich neugierig, zumal der Autor mit seinem
vorhergehenden Buch "Solange du da bist" Furore gemacht hat.
Steven Spielberg hat die Filmrechte dazu gekauft, also kann man davon
ausgehen, dass der Autor was zu bieten hat. Ich war sehr gespannt.
Aber ach!
Es ist von einer großen Liebe zwischen Susan und Philip die Rede,
nur zu spüren ist davon nichts. Obwohl Philip Susans Mann des Lebens
ist, geht sie von New York als Katastrophenhelferin nach Honduras. Na
gut, eine ordentliche Liebe muss das eine Zeit lang aushalten können.
Nach zwei Jahren kommt sie zurück, trifft Philip ein paar Stunden am
Flughafen und verduftet wieder. Das hingegen ist keine Liebe, das ist
nicht mal Freundschaft. Ich harrte gespannt der großen Gefühle, die da
angekündigt waren.
Aber es hilft alles nichts, Liebe ist da keine, Susan ist eine
egozentrische und egoistische Person, die in Philip einen nützlichen
Idioten gefunden hat. Er zieht sogar Susans Tochter groß und riskiert
dafür seine eigene Ehe.
Warum Susan so eine Egozentrikerin ist, erfahren wir nicht. Auch
nicht, warum Philip Susan so hündisch ergeben ist.
Philips Frau, die zunächst von der Stieftochter entsetzt ist,
erkennt unvermittelt, dass sie das Mädchen liebt. Wieso so plötzlich?
Darüber hätte ich gern mehr erfahren. Auch sind zu große zeitliche
Lücken im Buch. Dass man jahrelang keinen Kontakt hat und sich
währenddessen unverdrossen weiterliebt, wer's glaubt... Was ist in
diesen langen Jahren geschehen? Dazu kein einziges Wort.
Das Ende ist der totale Abschuss. Es ist bitter und niederträchtig,
weil es aber ein Happy End geben muss, wird dieses völlig
melodramatisch und unglaubwürdig konstruiert.
Die Situation, dass einer liebt und der andere nicht, ist durchaus
interessanter literarischer Stoff. Eventuelle Kinder verkomplizieren das
Ganze noch und liefern reichlich Rohmaterial für eine gute Geschichte.
Aber diese bleibt flach, das Verhalten und Empfinden der Figuren
erklärt sich nicht aus dem bisher Geschehenen, und der Versuch, das
ätzende Ende auf happy zu trimmen entwertet den Roman vollends.
Die allumfassende Liebe ist ein widerlich süßer Kleister, der in
diesem Roman die Motive von durchaus differenzierten und
widersprüchlichen Charakteren einebnet.
Dieses Buch ist nicht wie angekündigt ein Wirbelsturm, sondern ein
laues Lüftchen, das man sich schenken kann.
Schade, denn das Setting und die Figuren hätten eine furiose und
bewegende Geschichte ergeben können. |
Kommentare? Anregungen?
Schreibt uns:
Helga
|