Bernhard KegelWenzels PilzMonikas Meinung:Wer hat nicht schon einmal über die Gefahren der Gentechnik nachgedacht und sich gefragt, wie unsere Zukunft wohl aussehen könnte? In seinem ersten Roman "Wenzels Pilz" entwirft Bernhard Kegel das Bild einer Gesellschaft, die die Natur nicht nur beherrschen, sondern auch verbessern will. Dr. Kurt Wenzel ist Genetiker und arbeitet seit vielen Jahren für die Gentel, eine Firma, die darauf spezialisiert ist, gentechnische Produkte herzustellen, die den Menschen das Leben angenehmer machen sollen oder Organismen, die mit der verseuchten Umwelt besser zurechtkommen als ihre natürlichen Pendants. Vor vielen Jahren hat Wenzel deshalb einen Pilz entwickelt, der imstande ist, in Symbiose mit Bäumen zu leben, die von einer anderen Firma gegen sauren Regen resistent gemacht wurden. Das alles ist lange her, und er hat nie erfahren, ob sein Pilz jemals freigesetzt wurde. Eines Nachts klingelt bei ihm das Telefon, und er wird von seinem Chef auf der Stelle in die Firma beordert, da es angeblich mit seinem Pilz in Norwegen Probleme gibt. Dort haben zwei Urlauber ein Waldstück entdeckt, in dem alle Bäume abgestorben sind, dafür aber die Fliegenpilze die unheimliche Größe von Barhockern erreichen. Der verblüffte Wenzel erfährt, daß es sich bei diesen Riesenpilzen um "amanita wenzeli", seine eigene Kreation handelt. Die Gentel bestimmt daraufhin eine Delegation, die nach Trondheim fliegen muß, um sich vor Ort mit eigenen Augen vom Ausmaß der Schäden zu überzeugen. Dummerweise handelt es sich bei den beiden Urlaubern um einen Journalisten und seine Freundin, so daß sich die Sache nicht vertuschen läßt. Bernhard Kegel, der von Hause aus Biologe und Ökologe ist, sich inzwischen aber völlig der Schriftstellerei verschrieben hat, entführt uns in eine Zukunft, wie sie sich jeder halbwegs kritische (oder pessimistische) Leser unschwer vorstellen kann. In Wenzels Welt gibt es kaum noch natürliche Produkte, alles wurde inzwischen "verbessert", um die Unzulänglichkeiten der Natur auszugleichen. Biologisch angebaute Lebensmittel gibt es nur noch in Spezialgeschäften für Nostalgiker zu einem horrenden Preis. Alles wird künstlich hergestellt oder aus gentechnisch veränderten Produkten gewonnen, sogar die Haustiere wurden den menschlichen Bedürfnissen optimal angepaßt. In dem Bestreben, alles besser zu machen, passieren natürlich immer wieder Pannen, die eine weitere Korrektur nach sich ziehen, so daß die Menschheit immer mehr in einen Teufelskreis gerät, wo versucht wird, den Teufel mit dem Beelzebub auszutreiben. Als Beispiel hierfür mag die Idee dienen, die Wenzel kommt, um mit seinen Riesenpilzen fertigzuwerden: Er entdeckt, daß eine bestimmte Fliegenart sich fast ausschließlich von Pilzen ernährt. Um sie als Waffe gegen seinen "amanita" einsetzen zu können, muß er sie jedoch vorher gentechnisch so verändern, daß sie sich nur auf diesen speziellen Pilz stürzt. Es wird niemanden wundern, daß das so nicht funktioniert, denn derartige Maßnahmen können eigentlich nur dazu führen, das ökologische Gleichgewicht noch mehr aus dem Lot zu bringen. Es wird auch niemanden verwundern, von der Existenz einer "Liga für Artenschutz", kurz LAS, zu erfahren, die sich aus einer Greenpeace-ähnlichen Vereinigung entwickelt hat und die in den Untergrund gehen mußte, da ihre Aktivitäten der Regierung immer verdächtiger wurden. Die Figuren, die Kegel für seinen Roman entwirft, sind teils skurril und liebenswert, teils fies und unsympathisch, aber niemals eindimensional. Wenzel ist ein alternder Junggeselle, dessen einziger Lebensinhalt in seiner Arbeit besteht und dem die wöchentlichen Besuche bei seiner Mutter im Altersheim zwar lästig sind, die er aber trotzdem pflichtbewußt auf sich nimmt. Eine heimliche Zuneigung, die er jedoch niemals offen zu zeigen wagt, verbindet ihn mit einer Arbeitskollegin, Frau Dr. Uhlich, die in der gleichen Abteilung der Gentel tätig ist wie er selbst. Sein größter Traum besteht darin, das Leben der Menschen zu verschönern und der Nachwelt ein paar Errungenschaften zu hinterlassen, für die alle ihm dankbar sind. Dies versucht er mit seinem Lieblingsprojekt, der "nordischen Stadtpalme" zu erreichen. - Jawohl, ganz recht, es handelt sich dabei um eine Palme, die auch am Polarkreis überleben kann. Wem dies zu weit hergeholt erscheint, der sollte sich einmal darüber informieren, was heutzutage schon alles möglich ist, angefangen z.B. bei der Tomate, die nicht matschig wird. Wenzels Chef, Dr. Eckstein, ist das ganze Gegenteil eines noblen Charakters. Er hat nur den Profit der Firma im Kopf, und dafür geht er notfalls auch über Leichen. Im Verlauf des Geschehens wird man jedoch sehen, daß sich das nicht immer unbedingt auszahlt, aber zuviel soll hier natürlich nicht verraten werden. Es sei nur soviel gesagt, daß das Ende zwar zum Teil vorhersehbar ist, aber eben nicht ganz. Eine kleine Überraschung hält Kegel für den Leser hier bereit. Eine weitere interessante Figur ist der Wissenschaftler Prof. Hanslowe, der an einer britischen Universität mit Paläo-DNS experimentiert. Die Frage, ob man ausgestorbene Organismen aus erhaltenen DNS-Fragmenten wiedererschaffen kann, ist spätestens seit Michael Crichtons Bestseller Jurassic Park auch bei der Allgemeinheit auf Interesse gestoßen. Bernhard Kegel gibt dieser Frage einen etwas realistischeren Anstrich, indem er von jahrelangen vergeblichen Forschungen berichtet, die schließlich zu einem Minikrokodil geführt haben, das zum Gespött der gesamten Universität wird. Daneben tauchen noch eine ganze Reihe weiterer interessanter Charaktere auf, die jedoch jeder selbst entdecken sollte. Bernhard Kegel spielt in seinem Roman mit den Urängsten vieler Menschen, die der Zukunft zwar mit Interesse, aber auch mit etwas gemischten Gefühlen entgegensehen. Er versteht es geschickt, fiktive Ereignisse mit wahren Begebenheiten zu mischen, so daß man am Ende nicht mehr ganz sicher ist, was denn nun eigentlich Wahrheit und was Fiktion ist. Sein Erzählstil ist flüssig und fesselnd, es ist schwer, das Buch aus der Hand zu legen, wenn es man einmal angefangen hat. Das Thema ist aktuell und wird sicher viele Leute interessieren. "Wenzels Pilz" gab es schon einmal in einer Taschenbuchausgabe bei Piper, der Amman-Verlag hat das Buch nun erstmals in gebundener Form veröffentlicht. Bei der überarbeiteten Neuauflage wurden nur wenige Kleinigkeiten verändert, da das Thema in den drei oder vier Jahren seit der Erstveröffentlichung kaum an Brisanz verloren hat. Erschienen 1997 im Amman-Verlag Zürich |
Copyright 1997 Christina Gross & Monika Hübner |