Historikerin Gale Grayson ist mit ihrer kleinen Tochter Katie Pru aus
England nach Georgia ins Haus ihrer Großmutter Ella zurückgekehrt.
Hier hofft sie, wieder Ruhe zu finden, nachdem ihr Mann, ein Dichter und
Terrorist, sich vor vier Jahren auf der Flucht vor der Polizei selbst
getötet hatte und nachdem sie selbst im vergangenen Jahr erneut ins
Visier einer polizeilichen Ermittlung geraten war. Das ist ihr aber
nicht vergönnt. Mitten in seinem jährlichen Gospel-Barbecue, zu dem
wie immer Leute von weit her gekommen sind, geht ihr Cousin Martin Cane
in sein Haus. Kurz darauf fällt ein Schuss. War es wirklich ein Unfall
beim Reinigen seines Gewehrs? War es Selbstmord? Oder war es doch eine
der vier Frauen, die - angeblich verwirrt und nur bemüht, dem
tödlich verletzten Martin zu helfen - alle Spuren am Tatort verwischt
haben? Da die Cane-Frauen nicht gewillt scheinen, die Behörden zu
unterstützen, wendet Sheriff Truitt sich hilfesuchend an Gale.
Ebenso farbig und detailreich, wie sie in ihrem ersten Buch SCHREI
IM WIND die Verwicklungen einer englischen Dorfgemeinschaft
beschrieben hat, entwirft die amerikanische Journalistin Teri Holbrook
nun das Bild eines eng verwobenen Familienclans aus dem amerikanischen
Süden, in dem die Frauen, die "Magnolien aus Stahl", die
Fäden in der Hand halten und die Männer im Hintergrund verschwinden.
Dabei schaut sie auch öfter durch die Augen von Gales vierjähriger
Tochter Katie Pru, was ich besonders gelungen fand. Wie in den
Balladen-Krimis von Sharyn
McCrumb liegt auch in DER JUNGE AM FENSTER der Schlüssel zu den
Rätseln der Gegenwart in einer Legende aus der Vergangenheit. Linnie
Glynn Cane ist der ruhelose Familiengeist, und Holbrook verknüpft ihre
Geschichte gekonnt mit den Ereignissen um den Tod ihres Enkels Martin,
ohne Linnie aber als tatsächlich handelnde Person auftreten zu lassen.
Wer Krimis mag, die sich nicht nur auf die Aufklärung eines
Verbrechens konzentrieren, sondern die Leser auch noch in eine ganz
eigene Welt entführen, sollte Teri Holbrook im Auge behalten. |