Dr. Kay Scarpetta, Chefin der Gerichtsmedizin von Richmond, Virginia,
untersucht eine Serie von Morden, bei denen die Leichen ohne Arme, Beine
und Kopf auf Mülldeponien auftauchen. Als sie aber vor dem scheinbar
jüngsten Opfer des Serienkillers steht, keimt in ihr von Anfang an der
Verdacht, dass sie es hier mit einem Nachahmer zu tun hat. Der Killer
schickt ihr unter dem Pseudonym deadoc per E-Mail kryptische
Botschaften und Bilder vom Tatort. Kurz darauf bricht auf einer
isolierten Insel vor der Küste eine geheimnisvolle Krankheit aus, mit
der auch der letzte Torso infiziert war. Scarpetta und ihre Kollegen von
FBI und Seuchenkontrollbehörde sehen sich mit einer Katastrophe von
nationalem, vielleicht sogar weltweitem Ausmaß konfrontiert, und
Scarpetta muss genau das tun, was sie auf jeden Fall vermeiden wollte:
Sie muss über Internet mit dem Killer kommunizieren, um ihn in die
Falle des FBI zu locken.
Patricia Cornwell war eigentlich die Autorin, die mir gezeigt hat,
dass es zwischen der strickenden Miss Marple und dem kanonenschwingenden
Macho-Privatdetektiv noch etwas anderes gibt und die mich damit zur
eifrigen Krimileserin bekehrt hat. Leider hatte ich bei jedem Buch ein
bisschen mehr das Gefühl, dass es ihr nur noch darum ging, ihre
sorgfältig recherchierten Kenntnisse über die diversen
Strafverfolgungsbehörden und ihre Methoden unterzubringen und nicht
mehr darum, eine plausible Geschichte mit glaubwürdigen,
dreidimensionalen Charakteren zu entwickeln. Nach TRÜBE WASSER SIND KALT habe ich eine
lange Scarpetta-Pause eingelegt, weil ich dachte, ich hätte mich
sattgelesen. Trotzdem wollte sich bei DER KEIM DES VERDERBENS nicht die
Begeisterung einstellen, mit der ich die ersten drei Bände der Serie
verschlungen hatte. Cornwells Bösewicht bleibt unpersönlich und stets
außer Reichweite. Das Interesse an ihrer "Stammbesetzung",
dem Polizisten Marino, ihrer Nichte Lucy, Profiler Benton Wesley,
scheint sie mir schon seit einer Weile verloren zu haben. Sie sind zwar
noch zugegen und werden auch in eigene Handlungsstränge verwickelt,
bleiben aber flach und leblos. Man hätte sie gegen irgendwelche Figuren
austauschen können, die noch nie aufgetreten sind, und niemand hätte
den Unterschied bemerkt. Stattdessen wirft Cornwell wild mit
Abkürzungen um sich und macht die Behörden zu teilweise interessanten,
aber doch meist übermäßig trockenen Hauptfiguren ihrer Geschichte.
Außerdem gewann ich nach einer Weile den Eindruck, dass sie einen
gewissen Internetdienst als Sponsor gewonnen hat. Ein derart eklatantes
Product Placement in einem Buch ist mir noch nicht untergekommen.
Patricia Cornwell kann zwar immer noch manches besser als viele
andere, aber zu ihren Glanzzeiten hat sie mit DER KEIM DES VERDERBENS
noch nicht zurückgefunden. |