Edward O. WilsonDer Wert der VielfaltMonikas Meinung:
Der Begriff des Artensterbens ist seit einigen Jahren zum Schlagwort geworden. Täglich sterben Pflanzen- und Tierarten aus, und zum ersten Mal in der Geschichte der Erde geschieht dies durch die Einwirkung einer einzelnen Art, nämlich des Menschen. Fünf große Massensterben sind uns bekannt, und nun scheint das sechste seiner Art in vollem Gange zu sein. Es ist anders als die vorherigen, denn es ist menschengemacht. Die Abholzung der tropischen Regenwälder, von der jeder schon einmal gehört hat, ist nur ein Aspekt davon. Den wenigsten Menschen ist bekannt, dass die meisten Arten, die dort vorkommen, noch nicht einmal von der Wissenschaft beschrieben worden sind, oft sterben sie aus, ohne dass wir jemals von ihrer Existenz erfahren haben. Niemand weiß, welche Schätze uns dadurch verloren gehen - vielleicht das langgesuchte Heilmittel gegen Krebs oder eine andere Substanz, die eine der zahlreichen Zivilisationskrankheiten heilen könnte. Der weltbekannte Harvard-Professor und zweifacher Pulitzer-Preisträger Edward O. Wilson zieht in seinem 1992 erschienen Buch Bilanz über unseren Planeten. Es ist kein belehrendes Buch, sondern eine nüchterne Bestandsaufnahme dessen, was man über den Einfluss des Menschen auf die Biosphäre und über die Vergangenheit der Erde weiß. Wilson erzählt dem Leser zunächst etwas über die bekannten Katastrophen in der fernen Erdgeschichte sowie über eine Umweltkatastrophe, die sich in jüngster geschichtlicher Zeit zugetragen hat, nämlich der Ausbruch des Vulkans Krakatau im Jahre 1883 und dessen Auswirkungen auf die Umwelt. Danach erfährt der Leser etwas über die große Frage des Lebens und darüber, wie neue Arten entstehen. Die Triebkräfte der Evolution werden beschrieben, die Entstehung von Ökosystemen und die Entfaltung der Biodiversität. Der dritte Teil des Buches befasst sich mit dem Einfluss des Menschen auf seine Umwelt, und es werden Vorschläge zur Bewältigung der augenblicklichen Krise gemacht. Wer sich für die Zukunft des Planeten Erde interessiert und lernen will, in größeren Zeiträumen als ein Menschenleben zu denken, der sollte dieses Buch unbedingt lesen. Es ist keine beschauliche "Bettlektüre" zur Erbauung, und man wird sich vielleicht unbehaglich fühlen, wenn man es beendet hat. Es ist jedoch wichtig, an der Schwelle zum 21. Jahrhundert über diese Dinge einmal nachzudenken, darüber, wie wir unseren Kindern wenigstens einen Teil der Vielfalt erhalten können. Neueste Forschungen haben ergeben, dass die Erde nach einer großen Krise ca. zehn Millionen Jahre braucht, um sich zu erholen und die verlorene Artenvielfalt wieder zu erreichen. In der Geschichte unseres Planeten sind zehn Millionen Jahre nicht übermäßig lang, aber für die Menschheit dürfte diese Zeitspanne zu lang sein, da sie die mittlere Lebensdauer einer Säugetierart bei weitem übersteigt. Wilsons Buch sollte uns dabei helfen, einen Prozess des Umdenkens in Gang zu bringen. Piper, München, 1996
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Zuletzt aktualisiert am: Montag, 17. März 2003 Copyright 2000 Christina Gross & Monika Hübner |