Neal StephensonSnow CrashMonikas Meinung: Die Zeiten sind hart geworden für alle, die sich ihren Lebensunterhalt selbst verdienen müssen. Die Mafia kontrolliert sogar das Pizza-Universum, und so harmlose Jobs wie Pizzalieferant sind nun lebensgefährlich: Wer länger braucht als vorgeschrieben, um eine Pizza auszuliefern, verliert nicht nur seinen Job. Für Hiro Protagonist, den Protagonisten in Stephensons Snow Crash, ist das jedoch nicht das größte Problem. Er hat zur Zeit andere Sorgen, denn im Metaversum, der virtuellen Cyberwelt, kommt es zu unerklärlichen Todesfällen, die angeblich von einem Computervirus, das wie eine Droge wirkt, verursacht werden. Jeder, der es in seinen Rechner lädt, läuft Gefahr, nicht nur seine Daten zu verlieren... Hiro, zu dessen zahlreichen Talenten auch das Computer Hacken zählt, kommt einer Verschwörung auf die Spur, die ihre Wurzeln in ferner Vergangenheit zu haben scheint. Es ist zunächst relativ schwierig, in Snow Crash einen roten Faden zu erkennen. Das Buch legt von Anfang an ein rasantes Tempo vor und springt von einem Szenario zum nächsten, ohne dass die Ereignisse in näherem Zusammenhang zu stehen scheinen. Dass sie alle miteinander verwoben sind, offenbart sich erst nach und nach. Ständig gibt es neue, überraschende Wendungen, die den Leser in Atem halten, wobei Stephensons teilweise staubtrockener Humor mehr als einmal dafür sorgt, dass man laut auflacht. Der Roman, der inzwischen zu den Klassikern seines Genres zählt, ist darüber hinaus eine Art "sprachliche Achterbahnfahrt". Der Autor erfindet hemmungslos neue Wörter, um Dinge zu beschreiben, für die es bisher kein Wort gab; der Stil ist anfangs etwas gewöhnungsbedürftig, aber man findet sich ziemlich schnell hinein. Ich weiß nicht, ob es immer noch so wirkt, wenn man bereits ein Dutzend Bücher dieser Art gelesen hat, aber für mich war es neu und erfrischend, ein Leseerlebnis der besonderen Art. Interessant ist auch die Verknüpfung von der hypermodernen Computerwelt – repräsentiert durch das Metaversum, eine Weiterentwicklung des Internets, wie wir es kennen – und alten Mythen. So erfährt man ganz nebenbei etwas über die Sumerer, das Volk, das die älteste uns bekannte Schriftsprache hinterlassen hat. Was "Snow Crash" eigentlich ist, bleibt lange ein Geheimnis und wird erst gegen Ende der Geschichte verraten. Bis man es erfährt, hat man viel Zeit, um eine Welt zu erkunden, die im Grunde gar nicht so utopisch erscheint, wie Stephenson uns vielleicht glauben machen will. Der Autor, der selbst Programmierer ist, hat ein gutes Gefühl dafür, was er seinen Lesern zumuten kann, ohne an Glaubwürdigkeit zu verlieren. So ist Snow Crash ein rundum gelungener Roman, der neugierig macht auf weitere Bücher von diesem Autor. Goldmann, München, 1995
|