Sandra Sabanero

Mexikanische Hochzeit

Fischer Tb 2000

Helgas Meinung

Warum sich dieses Buch "Roman" nennt, ist mir nicht ganz klar. Eine junge Frau lässt am Vorabend ihrer Hochzeit, die sie ins Ausland führen wird, ihr bisheriges Leben Revue passieren. Im Verlaufe der Lektüre wird man frappierende Übereinstimmungen mit der Biografie der Autorin feststellen. Und das ist das Buch tatsächlich: eine Biografie. Mit Sicherheit wird nicht alles wahr sein, aber die Autorin beschreibt sehr detailliert und eindrücklich eine Familensaga aus weiblicher Sicht, bleibt dabei aber strikt auf dem fantasievollen, farbenfrohen Teppich und unterscheidet sich durch das Fehlen des magischen Realismus vom bekannten lateinamerikanischen Stil.

Die Autorin hat sich beruflich der öffentlichen Verwaltung verschrieben, und so schreibt sie auch ihr Buch: Wie eine öffentliche Vorschrift, logisch, detailreich, präzise, nichts vergessend. Dadurch wird es stellenweise etwas unübersichtlich.

Dennoch sind die Fakten erschütternd, Leid, Einsamkeit und Sprachlosigkeit fesseln. Wir lernen eine durch und durch patriarchalische Gesellschaft kennen, in der das Alphamännchen machen darf, was ihn gelüstet, und alle anderen Familienmitglieder sich dem unterzuordnen haben.

Immer wieder ist es angesichts der bitteren Armut für die Mutter ein Problem, die Familie satt zu bekommen, während der Vater genug Geld für die Kneipe hat. Da stirbt die Lieblingstante bei der Geburt des 17. Kindes, da führen Vater und Sohn einen beinahe tödlichen Kampf, weil der Sohn nicht mehr ertragen kann, wie der Vater die Mutter behandelt. Da lässt sich eine junge Frau, fern der Heimat, die Freuden der Liebe durch die Lappen gehen, weil der Arm der gnadenlosen Sittsamkeit bis in die Hauptstadt reicht.

Natürlich wird das Lebhafte, Bunte, Leidenschaftliche immer wieder beschworen, aber letztlich geht es um Lebenswege, in denen das Glück wenig Chancen hat.

Und dann tritt er eines Tages in ihr Leben: der Europäer, der ihr klarmacht, dass sie das Recht hat, ihr eigenes Leben nach ihren Vorstellungen zu gestalten - geradezu ungeheuerlich, aber als so befreiend erlebt, dass das Sendungsbewusstsein in einem Buch mündete, das in Lateinamerika mittlerweile Kultstatus hat.

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Zuletzt aktualisiert am: Sonntag, 18. Februar 2007

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