Weil er die Schuhe eines Baseballstars gestohlen
haben soll, wird Stanley Yelnats in das Jugendstraflager Camp Green
Lake geschickt, in dem höchst seltsame Methoden praktiziert werden,
um die Insassen wieder gesellschaftsfähig zu machen. Jeder der
Jungen muss täglich ein Loch von bestimmten Maßen graben, ganz
gleich, wie lange er dafür braucht. Niemand weiß, welcher Sinn und
Zweck sich dahinter verbirgt, sofern es einen solchen überhaupt gibt
und es sich nicht um reine Schikane handelt.
Stanley, der im Gegensatz zu den anderen aus
geordneten Verhältnissen kommt, fällt es schwer, sich der im Camp
herrschenden Hackordnung zu unterwerfen. Er ist das, was man
gemeinhin als "Couch Potato" bezeichnet, weder besonders sportlich
noch in irgendeiner Weise cool. Als der aus ärmlichen Verhältnissen
stammende Hector ihn bittet, ihm Lesen und Schreiben beizubringen,
hält Stanley zuerst überhaupt nichts von der Idee, lässt sich dann
aber mittels einer Abmachung, von der beide Teile profitieren, dazu
überreden. Zwischen den beiden ungleichen Jungen entwickelt sich
eine Freundschaft, die schließlich dazu führt, dass sie das Rätsel
um die geheimnisvollen Löcher lösen.
Typisches Jungenbuch, dachte ich, als ich Holes
aufschlug - eine Besserungsanstalt für schwer erziehbare Jungen ist
nicht gerade meine erste Wahl für ein Setting. Die Frage, warum sie
all diese Löcher graben müssen, machte mich jedoch neugierig. Und
das Buch hatte immerhin den Newberry Award gewonnen - irgendetwas
musste also dran sein. Daher fing ich an zu lesen und fühlte mich
nach dem zugegebenermaßen etwas absurden Auftakt nach kurzer Zeit
unwiderstehlich in das Geschehen hineingezogen.
Sachar erzählt seine Geschichte zunächst sehr
konventionell und linear, dann beginnt ein zweiter Handlungsstrang,
der völlig separat neben Stanleys Geschichte herzulaufen scheint.
Nach und nach erschließt sich dem Leser, was mehr als hundert Jahre
zuvor in Camp Green Lake dazu führte, dass kein Tropfen Regen mehr
fiel, wodurch der See schließlich austrocknete. Man beginnt zu
ahnen, was es mit den Löchern auf sich hat. Am Schluss verknüpft
Sachar alle losen Enden für diejenigen Leser, die die großen
Zusammenhänge nicht sowieso längst erkannt haben (ich gehörte wieder
einmal nicht zu Letzteren).
Holes ist im Wesentlichen die Geschichte von
Stanley und Hector, deren Schicksale auf seltsame Art miteinander
verknüpft sind. Besonders gut gefiel mir Sachars Art, mit
verschiedenen Zeitebenen zu arbeiten, was ich bei einem
Kinder-/Jugendbuch in dieser Form nicht erwartet hatte. Die in den
Haupthandlungsstrang eingebetteten Geschichten von Stanleys und
Hectors Familien, die in unmittelbarem Zusammenhang mit den
aktuellen Geschehnissen in Camp Green Lake stehen, verleihen dem
Buch eine Tiefe und Komplexität, die auf den ersten Blick nicht
ersichtlich sind. Wer seine Kindheit noch nicht ganz vergessen hat,
wird sich seinem Charme nicht entziehen können, auch wenn Holes
anfangs auf so manchen Leser düster und trostlos wirken mag. |