Uwe Timm

Kopfjäger

Helgas Meinung

Der Protagonist eröffnet uns gleich im ersten Satz, dass er von der Polizei gesucht wird. In seinem Versteck hat er Zeit, sein Leben nochmals Revue passieren zu lassen. Lamento über die Umstände sind genauso fehl am Platze wie das Bemühen der Moral. Nüchtern, ohne Wertung und ohne Jammerei erzählt der Mann, um den sich alles dreht, wie es dazu kam, dass er anderen Leuten in betrügerischer Absicht das Geld abnahm.

Er erzählt frisch frei von der Leber weg und reiht auf meisterhafte und vergnügliche Weise alle möglichen Geschichten aneinander: seine harte Kindheit in Hamburg und die ersten Jahre als selbständiger Mensch, wo er sich mühsam durchschlägt, das Ganze durchsetzt von einem Lokalkolorit, den Kenner der Stadt schätzen werden. Die Entdeckung seines Talents, zunächst als Drücker und später als Versicherungsvertreter Leute vollzulabern. Die Wege des Schicksals, die dazu führten, dass er auf einmal in einer Anlagenberatung arbeitete. Das durch einen Fehler übriggebliebene und verloren geglaubte Geld, das den Kauf diverser Annehmlichkeiten ermöglichte und die Perfektionierung dieses Zufalls zum System.

Locker-flockig lässt er einfließen, wie er ausgerechnet von jenen Unterstützung bekam, von denen man es am wenigsten erwarten würde, und wie das Leben eben so spielt, das Ganze durchsetzt von Börsenweisheiten.

Analytisch, wertfrei und voller Wortwitz zerlegt er – mit einem glücklichen Familienleben gesegnet – die um ihn herum scheiternden Beziehungen.

Wir lernen jedoch nicht nur Hamburg kennen, denn ein reicher Betrüger streift auf seiner Flucht rund um den Globus, so dass auch Andalusien, Brasilien und die Osterinsel Schauplätze des Romans sind. Mit Letzterer beschäftigt sich der Protagonist ausgiebig und hat auch eine gehässige Theorie, warum die Einwohner diese Steinkolosse hergestellt haben.

Die Sprache ist ein brillantes Feuerwerk von Metaphern und Beschreibungen, das Lesen durch und durch ein Vergnügen.

Da der Autor auf Anführungszeichen verzichtet, ist es gelegentlich nicht ganz einfach, einem Dialog zu folgen. Auch die Einleitung von Rückblenden ist nicht immer klar erkennbar. Ob das jetzt eine Schwäche oder Absicht war, entzieht sich mir, mindert aber das große Lesevergnügen nur unwesentlich, deshalb die volle Punktzahl.

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Zuletzt aktualisiert am: Freitag, 14. April 2006

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