Kurt Vonnegut
Galápagos
Monikas Meinung:
Im Jahre 1986 bricht auf dem südamerikanischen Kontinent ein Krieg aus. Einer kleinen
Gruppe von Menschen gelingt es, mit dem Kreuzfahrtschiff Bahia de Darwin zu
fliehen, das kurz darauf seine Jungfernfahrt hätte antreten sollen. An Bord befinden sich
außer einigen Gästen, die die Kreuzfahrt gebucht hatten, auch sechs kleine Mädchen, die
letzten Überlebenden eines Eingeborenenstammes aus dem Amazonasgebiet, den Kanka-bono.
Der Zufall will es, daß sich unter den Kreuzfahrtgästen auch eine Japanerin befindet,
deren Mutter ein Opfer der Hiroshima-Bombe war.
Die Bahia de Darwin gelangt schließlich zu den Galápagosinseln, zu der die
"Kreuzfahrt des Jahrhunderts" sie ursprünglich einmal führen sollte. Ein
Maschinenschaden verhindert jedoch, daß sie Santa Rosalia jemals wieder verlassen kann.
Die Passagiere werden unversehens zu Schiffbrüchigen, die niemals wieder einer
Menschenseele aus der ihnen bekannten Welt begegnen werden, da in der restlichen Welt ein
bisher unbekanntes Virus alle Frauen unfruchtbar macht, während neue Kriege das ihrige
zum Untergang der Menschheit beitragen.
Evolution fndet in kleinen, isolierten Populationen statt - ein hervorragendes Beispiel
hierfür sind z.B. die verschiedenen Arten von Darwinfinken auf den Galápagosinseln. Es
ist verlockend, diese Theorie auf die Menschheit anzuwenden: Wie würde sie sich
entwickeln, wenn nur ein paar Vertreter nach einer globalen Katastrophe übrigblieben? Das
hängt natürlich in erster Linie von der Zusammensetzung dieser kleinen Gruppe ab.
Kurt Vonnegut treibt in seinem Roman GALAPAGOS die Satire auf die Spitze, indem er
postuliert, daß die Mehrzahl der Frauen einem primitiven Eingeborenenstamm angehört, die
sich von den anderen isolieren, ihre eigenen Sitten und Gebräuche pflegen und an ihren
Nachwuchs weitergeben. Zu Beginn wird unter den Kolonisten von Santa Rosalia noch
Englisch, Japanisch und Kanka-bono gesprochen, nach ein paar Generationen ausschließlich
Kanka-bono. Eine ganz besondere "Zugabe" für den Genpool dieser neuen
Menschheit stellt die Tochter des Strahlenopfers dar, die mit einer Ganzkörperbehaarung
geboren wird, was ihr gegenüber allen anderen einen selektiven Vorteil verschafft, da sie
nicht so leicht einen Sonnenbrand bekommt. Darwin's "Survival of the Fittest"
wird hier wörtlich genommen, allerdings unter einem Blickwinkel, der so manchen
überraschen mag.
Wer sich bisher noch nie Gedanken darüber gemacht hat, ob es für die Menschen
wirklich von Vorteil ist, ein so außergewöhnlich großes Gehirn zu besitzen, der
wird überrascht sein, was letztendlich alles dagegen sprechen kann. Kurt Vonnegut
setzt dem Leser eine Brille auf, durch die er vielleicht noch nie zuvor geblickt hat oder
durch die er nicht blicken wollte. Erzählt wird die Geschichte vom Sohn des
Schriftstellers Kilgore Trout, der von seiner höheren Warte aus auf eine Million Jahre
Evolution der neuen Menschheit zurückblickt, Bilanz zieht und rekapituliert, wie einst
Anno 1986 alles begann.
GALAPAGOS ist sicher in erster Linie eine Satire, die vor allem denjenigen gefallen
dürfte, die nicht unbedingt der Meinung sind, daß die Menschheit die "Krone der
Schöpfung" darstellt. Ein vergnügliches Buch für alle, die nicht schockiert sind
zu erfahren, daß es auch ohne uns in unserer heutigen Erscheinungsform gehen kann. Der
Slogan "Zurück zur Natur" gewinnt für die Schiffbrüchigen von Santa Rosalia
eine ganz besondere Bedeutung. Evolution einmal ganz anders, am praktischen Beispiel
"Menschheit" demonstriert und nicht ganz ernst gemeint. Oder etwa doch?
Kurt Vonnegut: Galápagos
Dell Publishing, New York
ISBN: 0-440-12779-3
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