Ich wollte schon immer mal ein Buch lesen, das von
einem einzigen Tag im Leben einer Person handelt. Und hier haben wir
einen glücklichen Neurochirurgen, bei dem soweit alles im Lot ist.
Bis er eine Begegnung hat, die ihm, wie es auf dem Buchdeckel heißt,
jeden Frieden raubt. Zu viel möchte ich hier nicht verraten, doch
der Tag endet für den Chirurgen letztlich gut. Er kann sich und
seine Lieben der drohenden Gefahr entziehen, durch die Kraft der
Poesie. Und das führt bei mir zu einem ganz ordentlichen Punktabzug.
Das Buch ist eine sehr stimmige, hervorragend beobachtete und
sorgfältig komponierte Beschreibung eines zufrieden
dahinplätschernden Lebens. Alles gut vorstellbar. Und dann passiert
die Sache mit der Poesie, die schlecht vorstellbar ist. Dass es so
gelaufen sein könnte, ist so wahrscheinlich wie ein Sechser im
Lotto. Betriebsblindheit, würde ich sagen. McEwan als berühmter
Schriftsteller ist es gewöhnt, dass die Leute nach seinen Worten
dürsten, doch die Worte des Normalmenschen verfügen über weit
weniger Kraft, die eines Hauptschullehrers fallen nochmal ganz
deutlich dagegen ab. Die Rolle der Poesie wird gewaltig überschätzt,
und die entsprechende Szene finde ich richtig ärgerlich. Und noch
ein paar Dinge halten bei dieser fein austarierten Erzählung das
Gleichgewicht nicht. Unser Chirurg ist seit vielen langen Jahren
glücklich verheiratet und hat zwei wohlgeratene Kinder. Nichts gegen
glückliche Ehen, aber nur Friede, Freude, Eierkuchen ist
unglaubwürdig. In den besten Ehen (außer dieser hier) gibt es
Differenzen, Divergenzen und Konflikte. Glücklicherweise streitet
der Protagonist heftig mit seiner geliebten Tochter, und das hat
mich zum Weiterlesen animiert.
Eine Partie Squash, bei der jeder einzelne Schlag beschrieben
wird, wurde woanders "meisterhaft" genannt, aber ich fand sie
einfach schrecklich langweilig. Leider geht in dem Mann beim Spielen
einiges vor, und so ist man leider gezwungen, diese vielen Seiten
über das Squashspiel zu lesen, denn beim Überblättern würde etwas
fehlen.
Noch eine langatmige Passage, die ich mir gerne weggewünscht
hätte, war die Probe für ein Blues-Konzert. Jazzfans werden mit
Sicherheit begeistert sein, aber wer sich nichts aus dieser Musik
macht, wird das Ende der Probe nicht abwarten können.
Von diesen Haken und Ösen abgesehen hat es viel Spaß gemacht, dieses
Buch zu lesen. Letztlich geht es um ein völlig unspektakuläres und
banales Leben, und dies so zu beschreiben, dass man trotzdem
weiterlesen möchte, ist schon eine Kunst. |