   
    Katherine Neville
    Das Montglane-Spiel
      Christinas Meinung: 
       
    Sylvester 1972. Eine merkwürdige Wahrsagerin warnt die Computerexpertin Catherine
    Velis vor drohenden Gefahren. Sie wird gerade von ihrer Firma nach Algerien geschickt, um
    für die OPEC zu arbeiten. Der Schwager ihres Freundes Harry will sie außerdem
    überreden, einige Teile eines sehr alten Schachspiels für einen Kunden zu erwerben. Vor
    ihrer Abreise aus New York wird noch auf sie geschossen und zwei Menschen sterben. Dann
    ist sie allein in Algiers, verfolgt vom Chef des Geheimdienstes Sharif und verwickelt in
    ein Spiel, das sie erst nach und nach durchschaut.  
    Frühling 1792. In den Wirren der französischen Revolution lässt die Äbtissin von
    Montglane das Schachspiel Karls des Großen ausgraben, das 1000 Jahre lang in der Abtei
    versteckt war. Damit das Spiel, in dem eine geheime Formel verborgen sein soll, nicht in
    die Hände der neuen Machthaber fällt, lässt sie die Teile von ihren Nonnen in ganz
    Europa verstreuen. Sie selbst flieht an den Hof Katharinas der Großen. Für den Fall,
    dass sie die Teile nicht mehr beschützen können, sollen die Nonnen sich an ihre
    Mitschwestern, die Cousinen Mireille und Valentine wenden, die nach Paris geschickt
    werden. Valentine wird von dem Revolutionär Marat ermordet, der die Teile in seine Hände
    bekommen will. Mireille macht sich auf, die Teile zu vereinen, um sich an ihren Feinden
    rächen zu können.  
    Katherine Nevilles Kriminalroman wurde als weibliches Gegenstück zu Ecos DER NAME DER
    ROSE gefeiert. Das halte ich dann doch für reichlich übertrieben. Besonders in der
    ersten Hälfte kommt die Geschichte einfach nicht in Gang, da Neville ständig zwischen
    den Zeitebenen hin- und herspringt, ohne dadurch die Spannung in den Handlungssträngen zu
    steigern. Vielmehr sind die Unterbrechungen reichlich lästig. Auch sprachlich kann
    Neville Eco auf keinen Fall das Wasser reichen. Der historische Teil liest sich wie ein
    Who-is-Who der französischen Revolution. Neville scheut sich nicht, geschichtliche
    Größen wie Talleyrand, Katharina die Große und die Familie Bonaparte als Romanfiguren
    herzunehmen, und zwar nicht nur für einen kleinen Gastauftritt. Es gelingt ihr nicht
    immer, das auch glaubhaft erscheinen zu lassen. Auch im modernen Teil wirft sie
    gelegentlich mit Namen um sich, aber hier bleiben die Berühmtheiten eher am Rande.
    Catherines Jagd nach den Schachfiguren ist wieder leidlich spannend, auch wenn Neville den
    guten Glauben der Leser wieder ziemlich strapaziert, indem sie sie und ihre Freundin Lily
    Rad Anfang der 70er Jahre allein kreuz und quer durch Algerien, immerhin ein moslemisches
    Land, hetzt. Die Art, wie sie das Schachspiel mit Mythen aus allen möglichen Kulturen
    verknüpft ist recht gelungen und entschädigt dafür, dass ihre Riege von Spielern etwas
    umfangreich geraten ist und auch kein großes Interesse zu wecken vermag. Nur ganz zu
    Anfang fragt man sich noch, wer wohl auf welcher Seite steht, aber die Bösen sind genauso
    uninspirierend wie die Guten, und auf große Überraschungen wartet man vergeblich.  
    DAS MONTGLANE-SPIEL ist ein leidlich fesselnder Krimi. Man muss nichts von Schach
    verstehen, um der Geschichte folgen zu können, und auch genauere geschichtliche
    Kenntnisse sind dem Lesevergnügen eher abträglich. Immerhin war das Buch interessant
    genug, um mich über knapp 600 eng bedruckte Seiten bei der Stange zu halten, und das ist
    ja auch schon etwas. 
    Goldmann TB 44238 
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