Bernhard KegelDie Ameise als TrampVon biologischen InvasionenMonikas Meinung: Der Mensch hat seit jeher die Angewohnheit, auf seinen Wanderungen und Reisen das mitzunehmen, was ihm am liebsten ist, u. a. auch seine Haustiere und Nutzpflanzen. So ist es nicht verwunderlich, dass im Kielwasser der menschlichen Siedler Tiere und Pflanzen in Ökosysteme gelangten, in denen sie oft völlig fehl am Platze waren. Das traurige Beispiel der Kaninchenplage in Australien ist den meisten von uns bekannt, aber von diesen Extremfällen einmal abgesehen ist den wenigsten bewusst, wie viel von der Flora und Fauna, die sie umgibt, eigentlich gar nicht in dem jeweiligen Lebensraum heimisch ist.Bernhard Kegel zieht in seinem Buch Bilanz über die Folgen, die solche Eingriffe in die Natur haben können, die oft noch nicht einmal beabsichtigt sind oder sogar in bester Absicht gemacht werden. Da das Thema bei weitem zu umfangreich ist, um auf 300 Seiten abgehandelt zu werden, beschränkt der Autor sich auf einige markante Beispiele, darunter die Auswirkungen, die die Ankunft der europäischen Siedler auf die Inselwelt Neuseelands hatte. Das Buch beginnt mit einem Ausflug in die Erdgeschichte und reißt kurz die augenblickliche Situation im "Großstadtdschungel" an. Darauf folgt eine ausführlichere Beschreibung von verschiedenen "Invasionen": neue Säugetiere in Europa, der Weg verschiedener Lebewesen durch den Suezkanal, die sog. "Lessepsche Migration", die Tramp-Ameisen und andere Insekten. Die Folgen solcher Invasionen sind mancherorts dramatisch. Auch wenn die Fischer am Viktoriasee sich über die riesigen Nilbarsche freuen, die in ihren Netzen zappeln, so haben diese nichtsdestotrotz dazu geführt, dass dieser einzigartige See inzwischen ein trostloses Gewässer geworden ist. Dort, wo man einst die Evolution anhand der vielen Arten von Viktoriabarschen sozusagen vor Ort verfolgen konnte, gibt es heute nicht mehr viel zu erforschen; die Fischindustrie hat durch die Aussetzung von Nilbarschen gründlich aufgeräumt mit den endemischen Arten, die als Trash Fish galten, weil sie den Fischern zu klein waren. Die sterbenden Wälder von Guam sind ein anderes Beispiel, hier sind es die Vögel, die fast von heute auf morgen verschwunden sind, die Liste ließe sich beliebig fortsetzen. Die Mechanismen, denen das Eindringen fremder Floren und Faunen unterliegt, werden im folgenden Kapitel erklärt. Nicht alle Organismen eignen sich als Invasoren, die meisten scheitern von vornherein, und nur einer von zehn wird schließlich zum Schädling. Man kann nie vorher sagen, wer gewinnt und wer letztendlich verliert, und bekanntlich können auch Einheimische zum Ärgernis werden. Ob die Natur irgendwann den Menschen brauchen wird, um zu bestehen, ist noch nicht geklärt. Da sie sich im Verlauf der Erdgeschichte aber immer wieder von großen Katastrophen erholt hat, auch wenn es manchmal sehr lange gedauert hat - jedenfalls in menschlichen Maßstäben gerechnet - wird sie sicher auch unsere Spezies überleben. Dass danach vielleicht alles anders sein wird, steht auf einem anderen Blatt. Aber sagte nicht schon Stephen Jay Gould, dass die Evolution von unvorhersehbaren Zufällen bestimmt sei und keineswegs auf ein bestimmtes "höheres" Ziel zusteuere, wie viele sich das in ihrem Anthropozentrismus gern vorstellen? Die Erde braucht den Menschen nicht, aber der Mensch braucht die Erde, darüber sollte man sich klar werden. Wenn Bernhard Kegels Buch dazu beiträgt, dass wir alle ein wenig bewusster mit unserer Umwelt umgehen, dann hat es sein Ziel erreicht. Jeder sollte anfangen, darüber nachzudenken, wie er seinen bescheidenen Beitrag leisten kann, es ist im Grunde so einfach. Und es ist niemals zu spät, um damit anzufangen. Erschienen im Ammann Verlag Zürich 1999
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