Der Schriftsteller Leon Ulbricht und seine frischangetraute Gattin
Martina beschließen, sich ein Häuschen auf dem Lande zu kaufen, damit
Leon die nötige Ruhe zum Schreiben hat, die ihm in Hamburg fehlt. Und
wo findet man in Deutschland noch ursprüngliche ländliche Idyllen,
wenn nicht in den so genannten neuen Bundesländern? Schon die Fahrt
dorthin gerät zum Abenteuer, in deren Verlauf das Pärchen an einem
Fluss eine unheimliche Entdeckung macht. Auch mit den meteorologischen
Gegebenheiten dieser Gegend werden sie sofort konfrontiert, es regnet
nämlich ohne Unterlass. Der Dauerregen wird ihnen im neuen Heim schwer zu schaffen machen, doch das wissen sie zu diesem Zeitpunkt noch
nicht.
Das Haus, das zu besichtigen sie gekommen sind, wird zur Liebe auf
den ersten Blick: Einsam im Moor gelegen, wenn auch etwas baufällig,
aber nichts, was sich nicht mit etwas Geschick reparieren ließe. Meinen
sie. Doch die scheinbar romantische Idylle wird nach dem Einzug immer
mehr zum Alptraum, das Haus scheint seine neuen Besitzer zu hassen (wenn
Häuser hassen könnten) und weigert sich standhaft, sich vom Haus zum
Heim zu wandeln. Die Ehe wird auf eine harte Probe gestellt, langsam
fängt sie an zu bröckeln wie die feuchten Wände, und man erahnt schon
sehr bald, dass diese Geschichte kein gutes Ende nehmen kann.
Karen Duves Erstlingswerk wurde nach Erscheinen von den Kritikern
gefeiert, was mich eigentlich eher hätte misstrauisch machen müssen.
Doch dieses Buch erregte aus irgendeinem Grund meine Neugier, und die
Geschichte zog mich auch zunächst unwiderstehlich in ihren Bann. Das
erste Drittel war auf einer Bahnfahrt schnell gelesen, doch schon zu
diesem frühen Zeitpunkt war ich hin- und hergerissen zwischen
Faszination und Ekel. Die beiden Hauptfiguren gehören wohl zu den
unsympathischsten Gestalten, die mir seit langem in irgendeinem Buch
begegnet sind, wenn man von potenziellen Verbrechern, Folterknechten und
ähnlichen unerfreulichen Gestalten einmal absieht. Ich muss mich nicht
unbedingt mit den Personen identifizieren, aus deren Perspektive die
Geschichte erzählt wird, doch sie sollten zumindest in irgendeiner
Weise sympathisch sein, um mein Interesse an ihrem Schicksal zu wecken.
Dass Leon nicht in diese Kategorie gehört, wurde ziemlich bald klar;
er ist so versnobt, dass er von seiner Frau verlangt, ihren Vornamen zu
ändern, den er als zu proletarisch empfindet. So wird aus Roswitha
Martina, aber diese Äußerlichkeit verhilft ihr nicht zu einem besseren
Leben, und auch nur vorübergehend zu mehr Ansehen in Leons Augen.
Identitätsprobleme hatte sie auch schon, bevor sie ihn kennen gelernt
hat, weibliche Schönheit allein ist noch keine Garantie für
persönliches Glück. Das kleinbürgerliche Milieu, aus dem sie stammt,
konnte sie nie ganz hinter sich lassen, auch nicht ihre familiären
Probleme, die sich in einer Ess-Störung äußern, die sie sowohl vor
ihrer Familie als auch vor Leon geheim hält.
Weitere skurrile Gestalten in Duves Regenroman sind Leons einziger
und bester Freund Harry, ein halbseidener Krimineller, der ebenso wenig
echte Anteilnahme bei mir zu wecken imstande war wie das Ehepaar
Ulbricht, um der Wahrheit Genüge zu tun eher noch weniger. Außerdem
gibt es noch die Schwestern Schlei, die nächsten Nachbarn der
Ulbrichts, die fast Loriotsche Züge tragen. Duve erzählt ihre
Geschichte in einer Sprache, wie sie für die neue deutsche Literatur
vermutlich angemessen ist, für die ich aber anscheinend zu altmodisch
bin, um sie wirklich zu genießen. So überwog letztendlich der Ekel,
nicht die Faszination, je weiter ich las. Das Buch war eine interessante
Erfahrung, doch kaum dazu angetan, mich zu inspirieren, noch einen Roman
dieser Autorin zu lesen. Unsympathische Zeitgenossen gibt es im realen
Leben mehr als genug, die Schilderung ihrer Alltagssorgen bis ins
kleinste Detail ist nicht das, was ich mir als Feierabendlektüre
wünsche. Dass Kritiker solche Bücher lieben, ist kein Geheimnis. Es
sei ihnen auch unbenommen, aber als Leser muss ich mich ihrer Meinung
nicht unbedingt anschließen. |