Kulturkritiker haben es nicht leicht. Sie gelten oft als versnobt und
eingebildet, und auf den einen oder anderen trifft das sicher auch zu.
Michael Bishops Held Xavier Thaxton fühlt sich von den meisten Menschen
unverstanden; im Gegensatz zu ihnen sind ihm Comics, Seifenopern im
Fernsehen und Fast Food-Restaurants ein Gräuel und verursachen ihm fast
körperliche Schmerzen. Sein persönlicher Held heißt Friedrich
Nietzsche. Als seine Schwester ihn bittet, seinen Neffen Mikhail für
ein halbes Jahr bei sich aufzunehmen, weiß Thaxton noch nicht, was er
sich damit einbrockt. Zusammen mit Mikhail, der darauf besteht, "El
Mick" genannt zu werden, hält die Unkultur Einzug in seiner
Wohnung. El Mick bringt nicht nur eine umfangreiche Sammlung von CDs
mit, die eine Beleidigung für Thaxtons Ohren sind, sondern auch eine
ebenso umfangreiche Comicsammlung und ruft bei seinem Onkel fast einen
Nervenzusammenbruch hervor, als er die Wände seines Zimmers schwarz
streicht.
Aber damit nicht genug: Nach dem Bad in einem See gehen seltsame
Veränderungen mit Thaxton vor, die drohen, ihn um den Verstand zu
bringen. Die hohen Künste bewirken plötzlich Kopfschmerzen, Erbrechen
oder Anfälle von Durchfall bei ihm. Kurieren lassen sich diese
Beschwerden nur, wenn er sich im Fernsehen eine Seifenoper ansieht,
statt in einem Drei-Sterne-Restaurant in einem Schnellimbiss speist,
einen von El Micks Comics liest oder eine der CDs des Neffen hört. Sein
"Philistersyndrom" nimmt schließlich so starke Ausmaße an,
dass er nur noch Erleichterung findet, wenn er als Comic-Held Graph
Geiger verkleidet als Beschützer von Witwen und Waisen durch die Stadt
streift...
Graph Geigers Blues ist eine bitterböse Satire, die vor allem
all jenen gefallen dürfte, die sich immer wieder über die elitäre
Einstellung mancher Zeitgenossen aufregen. Wer hat sich nicht schon mal
gewünscht, den hochnäsigen Kritiker zu foltern, der gerade das
Lieblingsbuch oder den Lieblingsfilm in Grund und Boden gestampft hat?
Michael Bishop hat sich die ultimative Folter für seinen Helden
ausgedacht: Thaxton muss sich schließlich sogar in einen der von ihm so
verhassten Comichelden verwandeln, um überleben zu können. Die
skurrile Geschichte wächst sich jedoch bald zu einem Drama aus, als der
Leser erfährt, dass die Veränderungen, die mit Thaxton vor sich gehen,
auf eine radioaktive Verseuchung des Sees zurückzuführen sind, in dem
eine skrupellose Entsorgungsfirma den Sondermüll aus einer Klinik
einfach abgeladen hat.
Bishop hat eine Reihe von sympathischen, dreidimensionalen Figuren
geschaffen, die diese unglaubliche Geschichte äußerst real erscheinen
lassen. In einer für den Leser äußerst unterhaltsamen Weise lässt er
die gegensätzlichen Welten von Onkel und Neffe aufeinanderprallen und
zeigt, wie der altbekannte Generationenkonflikt sich lösen lässt. Ein
Buch voller Überraschungen und Situationskomik, das oft von einem
Extrem ins andere fällt, aber niemals gleichgültig lässt.
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