Michael Bishop

Graph Geigers Blues

Graph Geiger's Blues

Heyne, 1999

Monikas Meinung

Monikas Symbol Monikas SymbolMonikas Symbol

Kulturkritiker haben es nicht leicht. Sie gelten oft als versnobt und eingebildet, und auf den einen oder anderen trifft das sicher auch zu. Michael Bishops Held Xavier Thaxton fühlt sich von den meisten Menschen unverstanden; im Gegensatz zu ihnen sind ihm Comics, Seifenopern im Fernsehen und Fast Food-Restaurants ein Gräuel und verursachen ihm fast körperliche Schmerzen. Sein persönlicher Held heißt Friedrich Nietzsche. Als seine Schwester ihn bittet, seinen Neffen Mikhail für ein halbes Jahr bei sich aufzunehmen, weiß Thaxton noch nicht, was er sich damit einbrockt. Zusammen mit Mikhail, der darauf besteht, "El Mick" genannt zu werden, hält die Unkultur Einzug in seiner Wohnung. El Mick bringt nicht nur eine umfangreiche Sammlung von CDs mit, die eine Beleidigung für Thaxtons Ohren sind, sondern auch eine ebenso umfangreiche Comicsammlung und ruft bei seinem Onkel fast einen Nervenzusammenbruch hervor, als er die Wände seines Zimmers schwarz streicht.

Aber damit nicht genug: Nach dem Bad in einem See gehen seltsame Veränderungen mit Thaxton vor, die drohen, ihn um den Verstand zu bringen. Die hohen Künste bewirken plötzlich Kopfschmerzen, Erbrechen oder Anfälle von Durchfall bei ihm. Kurieren lassen sich diese Beschwerden nur, wenn er sich im Fernsehen eine Seifenoper ansieht, statt in einem Drei-Sterne-Restaurant in einem Schnellimbiss speist, einen von El Micks Comics liest oder eine der CDs des Neffen hört. Sein "Philistersyndrom" nimmt schließlich so starke Ausmaße an, dass er nur noch Erleichterung findet, wenn er als Comic-Held Graph Geiger verkleidet als Beschützer von Witwen und Waisen durch die Stadt streift...

Graph Geigers Blues ist eine bitterböse Satire, die vor allem all jenen gefallen dürfte, die sich immer wieder über die elitäre Einstellung mancher Zeitgenossen aufregen. Wer hat sich nicht schon mal gewünscht, den hochnäsigen Kritiker zu foltern, der gerade das Lieblingsbuch oder den Lieblingsfilm in Grund und Boden gestampft hat? Michael Bishop hat sich die ultimative Folter für seinen Helden ausgedacht: Thaxton muss sich schließlich sogar in einen der von ihm so verhassten Comichelden verwandeln, um überleben zu können. Die skurrile Geschichte wächst sich jedoch bald zu einem Drama aus, als der Leser erfährt, dass die Veränderungen, die mit Thaxton vor sich gehen, auf eine radioaktive Verseuchung des Sees zurückzuführen sind, in dem eine skrupellose Entsorgungsfirma den Sondermüll aus einer Klinik einfach abgeladen hat.

Bishop hat eine Reihe von sympathischen, dreidimensionalen Figuren geschaffen, die diese unglaubliche Geschichte äußerst real erscheinen lassen. In einer für den Leser äußerst unterhaltsamen Weise lässt er die gegensätzlichen Welten von Onkel und Neffe aufeinanderprallen und zeigt, wie der altbekannte Generationenkonflikt sich lösen lässt. Ein Buch voller Überraschungen und Situationskomik, das oft von einem Extrem ins andere fällt, aber niemals gleichgültig lässt.

Home

Filmkritiken

Buchkritiken

Titel

Autoren

Themen

Gastkritiken

Bewertung

Über Christina

Über Helga

Über Monika

Links

 

E-mail
Kommentare? Anregungen?
Schreibt uns:

Monika

Zuletzt aktualisiert am: Sonntag, 18. Juni 2006

Copyright 2000 Gesehen & Gelesen

Impressum