Wer kennt sie nicht, Arthur Conan Doyles Geschichte von der vergessenen Welt? Hoch oben
auf dem Plateau von El Grande haben fantastische Kreaturen seit der Zeit der Dinosaurier
überlebt, entdeckt wurden sie von Professor Challenger, dem es Anfang des 20.
Jahrhunderts gelang, einen Pterodactylus nach London zu bringen. Greg Bears Buch
knüpft an diese Geschichte an, es spielt fast 50 Jahre nach der Entdeckung dieser
prähistorischen Welt, als der letzte der Dinosaurierzirkusse geschlossen wird und die
verbleibenden Tiere in ihre einstige Heimat zurückgebracht werden sollen. Unter ihnen
befinden sich mehrere kleine Dinosaurier, aber auch Sammy, der Centrosaurus und Dagger,
ein großer Theropode, der das Unternehmen durch seine Unberechenbarkeit immer wieder zum
Scheitern zu bringen droht.
Erzählt wird die Expedition aus der Perspektive des Fotografen Anthony und dessen Sohn Peter, die alles, was auf der Reise passiert, mit der Kamera für das National Geographic
Magazine festhalten sollen. Mit von der Partie ist auch der 27jährige Ray Harryhausen,
der für die bewegten Bilder zuständig ist und jede Aktion filmen soll. Da der Zutritt zu
dem Tepui über lange Jahre nur einigen wenigen Wissenschaftlern erlaubt gewesen war, von
denen einige nie zurückgekehrt sind, ist die Brücke über die Schlucht - der einzige
Zugang - inzwischen sehr baufällig geworden. So kommt es, wie es kommen muss, und unsere
Helden finden sich plötzlich in einer von jeglicher Zivilisation verschont gebliebenen
Welt wieder, umgeben von Kreaturen, wie sie sie sich selbst in ihren kühnsten Träumen
nicht haben vorstellen können.
Eine Fortsetzung zu einem Klassiker zu schreiben, ist eine riskante Angelegenheit, die
Greg Bear auf elegante Weise gemeistert hat. Dinosaur Summer ist ein Buch für
all diejenigen, die schon immer wissen wollten, wie es mit der Geschichte von der
Entdeckung der letzten Dinosaurier weiterging. Die Fortsetzung ist ein Blick in die
Abgründe der menschlichen Seele: Wie zu erwarten, hat man die Dinosaurier gewissenlos
vermarktet, aber nach fast 50 Jahren ist die Welt selbst dieser fantastischen Tiere
überdrüssig geworden, so dass ein Dinosaurierzirkus nach dem anderen wegen Geldmangels
schließen muss. Lothar Gluck, der Inhaber des letzten unter ihnen, plant nun, die
überlebenden Tiere mit gigantischer Publicity nach El Grande zurückzutransportieren und
mutiert über Nacht vom profitgierigen Zirkusdirektor zum engagierten Naturschützer,
bereit, aus einer verfahrenen Situation das Beste zu machen - eine nur allzu menschliche
Reaktion. Seine zwei- bzw. vierbeinigen Schützlinge ahnen genauso wenig wie ihre
menschlichen Begleiter, dass die Welt, die sie einst verlassen haben, sich inzwischen
verändert hat.
Das Bild, das Greg Bear von El Grande entwirft, ist eine fantastische Vision dessen,
was 65 Millionen Jahre Evolution seit dem Ende der Kreidezeit hervorgebracht haben
könnten. Hier haben nicht nur die Dinosaurier überlebt, sondern auch andere, noch
ältere und bizarrere Wesen, die mit den Vorfahren der Säugetiere verwandt sind. Aber
auch die Entwicklung der Vögel stand nicht still und hat schließlich den gefürchteten
"Death Eagle" hervorgebracht, den uneingeschränkten neuen Herrscher über das
Tepui. Ebenso wie anderswo ist auch in El Grande die Zeit nicht stehen geblieben, auch wenn
es zunächst so scheinen mag. Dinosaur Summer ist ein Ausflug
in eine andere Wirklichkeit, ein Leseabenteuer der besonderen Art.
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